Lernort Stadt: UNESCO-Tag auf der Didacta
24. Februar 2011Stolz nehmen Pfadfinder aus Hessen die UNESCO-Urkunde als "offizielles Dekade-Projekt" in Empfang. Während der Verleihung ist im Hintergrund ein Foto auf einer Großleinwand zu sehen. Es zeigt junge Leute, die Strohballen in eine Art Regal stapeln. Das Regal ist eine Hauswand, und die Strohballen dienen als Dämmschutz. Ein Gebäude, das in ökologisch-nachhaltiger Bauweise entstanden ist und fast keine Energie verbraucht. Es ist ein Anbau für die Burg Ludwigstein, die als Bildungs- und Begegnungsstätte dient. Ingenieur Kurt Ternes hat als langjähriges Pfadfindermitglied tatkräftig mitgewirkt. "Wenn das Stroh nicht feucht wird, funktioniert das sehr gut", bekräftigt er, schließlich wurde das Projekt schon in der Mongolei erprobt. "Dort haben wir eine ähnliche Bauweise ausprobiert. Wir haben eine Bibliothek gebaut für eine Schule für Straßenkinder."
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Insgesamt wurden von der Deutschen UNESCO bereits 1300 Projekte ausgezeichnet, die sich mit Bildung für nachhaltige Entwicklung beschäftigen. Bei den verschiedenen Aktionen geht es meist um komplexe Zusammenhänge. Was passiert zum Beispiel durch unsere Lebensweise in Ländern der sogenannten Dritten Welt? Seit die UNESCO 2004 die Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" ausgerufen hat gibt es auf der Bildungsmesse Didacta jedes Jahr einen UNESCO-Tag, wo auch die offiziellen Dekade-Projekte ausgezeichnet werden. In diesem Jahr heißt das Thema der Deutschen UNESCO-Kommission "Stadt und Bildung für nachhaltige Entwicklung".
Die Stadt als Lernort
Mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Städten. Für die UNESCO bietet der Lebensraum Stadt deshalb eine große Chance zur Bildungsentwicklung. In den meisten Städten gibt es Freizeit-, Bildungs- und Kulturangebote. "Die Stadt ist schließlich der größte Ressourcenfresser und wir müssen uns gerade dort Gedanken um unser Konsumverhalten und nachhaltige Entwicklung machen", sagt Professor Gerhard de Haan, Vorsitzender des Nationalkomitees der UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung".
Elektroschrott und Menschenrechte
Bei dem Projekt "Elektroschrott ist Gold wert", lernen Schüler zum Beispiel den Kreislauf von Abfällen aus der Elektroindustrie kennen. Dabei begreifen sie auch die Zusammenhänge zwischen ihrem Umgang mit dem Mobiltelefon und Menschenrechtsverletzungen. Philip Held betreut das Projekt bei der Verbraucherzentrale Nordrhein Westfalen in Düsseldorf. Den wenigsten sei klar, so meint er, wie schwer die Lebensbedingungen der Arbeiter beim Abbau von Metallen seien. "Am Ende der Kette geht es auch um das Leben von den Leuten auf den Müllhalden, wo der Elektroschrott dann abgelagert wird in der Dritten Welt." Da überlegt sich so mancher Schüler vielleicht zweimal, ob es in unserer heutigen Konsumgesellschaft wirklich immer wieder das neuste Handy-Modell sein muss.
Wer verdient an einer Tafel Schokolade?
Auch der Botanische Garten der Freien Universität Berlin geht mit gutem Beispiel voran. Dort gibt es die Botanikschule und ein Fortbildungszentrum für nachhaltige Entwicklung. Bei Führungen und in Workshops werden nicht nur Pflanzen erklärt, sondern auch ökologische, ökonomische und soziale Aspekte beleuchtet. "Anhand der Pflanzen können wir den Bezug zu den Lebensräumen aufbauen", erläutert Biologin Gesche Hohlstein, die die Bildungsarbeit koordiniert. Pflanzen werden zum Beispiel abgeholzt, um Flächen für nachwachsende Rohstoffe zu bekommen. Dadurch werden ökologische und soziale Konflikte ausgelöst. Die Besucher lernen, was fairer Handel bedeutet. "Wie viel verdient überhaupt der, der die Frucht erntet und der, der sie transportiert? Das sind die Fragen, die wir uns stellen, um auf das Ungleichgewicht in der Gesellschaft hinzuweisen."
Die Nachhaltigkeit der Projekte
Manche Institutionen – wie die Botanikschule und das Botanische Museum in Berlin – hat die UNESCO schon zum wiederholten Male für ihre innovativen Projekte ausgezeichnet. "Das sind alles Projekte auf einem sehr hohen Niveau, und wir bekommen von unseren internationalen Freunden dafür sehr viel Lob", betont Professor Gerhard de Haan. Doch nicht alle Projekte sind so langlebig. Oft gehen sie auf das Engagement von Einzelpersonen zurück und werden dann von anderen nicht weitergeführt. Trotz der vielen Initiativen in Deutschland bezweifelt Gerhard de Haan, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung am Ende der Dekade flächendeckend selbstverständlich sein wird. "Viele sagen inzwischen, wir bräuchten eine zweite Dekade, denn international gesehen sind wir nicht so weit, wie wir sein sollten." Im Nationalkomitee der UN-Dekade wünscht man sich, dass das Thema nachhaltige Bildung im Curriculum der Schulen und Universitäten zum Pflichtprogramm gehört, damit Bildung für nachhaltige Entwicklung ein solides Fundament bekommt.
Autorin: Gaby Reucher
Redaktion: Conny Paul