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Leistungsprinzip versus Automatismus

Philipp Krakau17. März 2006

Präsident Bush plant bereits den Bau seiner Präsidentenbibliothek. Doch warum erhält Schröder keine solches Monument? Ein Vergleich über den unterschiedlichen Umgang mit den hinterlassenen Akten der Administrationen.

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Monumentales Bauwerk: Die Präsidentenbibliothek Clintons in ArkansasBild: AP

US-Präsident George W. Bush denkt bereits über seinen Ruhestand nach: "Eines Tages werde ich ein Mitglied im Club der Ex-Präsidenten sein", sagte er kürzlich in einem CBS-Interview. Ein Merkmal dieses Promi-Clubs ist, dass für jedes seiner Mitglieder eine eigene Bibliothek - oftmals auch zynisch als "Schrein" bezeichnet - errichtet wird.

Entstehungsgeschichte

Diese Presidential Libraries haben eine lange Tradition in den USA. Franklin D. Roosevelt war der erste Präsident, der alle Materialien, die sich während seiner Präsidentschaft (1933-1945) angesammelt hatten, den Vereinigten Staaten schenkte; er war der Meinung, dass diese Dokumente einen bedeutenden Teil des nationalen Erbes darstellten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. Roosevelt begründete damit eine Tradition, die in dieser Form einmalig in der Welt ist.

US-Präsident George W. Bush mit dem indischen Premier Mammohan Singh Staatsbesuch
Staatsbesuch - Fotos wie dieses werden in der Präsidentenbibliothek archiviertBild: AP

Seine Nachfolger folgten seinem Beispiel und errichteten aus eigenen und gespendeten Mitteln Bibliotheken, in denen alle Akten, Filme, Fotos und Artefakte, die die verfassungsmäßigen, repräsentativen oder zeremoniellen Handlungen des Präsidenten dokumentieren, archiviert wurden. Nach ihrer Fertigstellung wurden die Bibliotheken der National Archives and Records Administration (NARA), einer öffentlichen Behörde, übergeben. Diese verwaltet inzwischen fast 400 Millionen Seiten Text, zehn Millionen Fotos, mehr als fünf Kilometer Film, fast 100.000 Stunden Disk-, Tonband- oder Videoaufzeichnungen, sowie Papiere, die von Freunden oder Vertrauten der Präsidenten zur Verfügung gestellt wurden. Seit 1978 ist der Erhalt aller dieser Dokumente in Bibliotheken durch den Presidential Records Act sogar gesetzlich vorgeschrieben.

Bibliothek als Denkmal

"Der Präsident ist die einzige politische Institution in den USA, die die gesamte Gesellschaft repräsentiert", erklärt Knud Krakau, Professor für Nordamerikageschichte an der Freien Universität Berlin. "Daher stellt jede der inzwischen zwölf Bibliotheken außerdem ein Monument für diese Rolle des Präsidenten als Symbolfigur der Nation dar."

Ein Monument, das es - zumindest in dieser systematischen Form - in Deutschland nicht gibt. In der Bundesrepublik werden alle Dokumente der verschiedenen Regierungen vom 1952 gegründeten und als nicht besonders benutzerfreundlich geltenden Bundesarchiv verwaltet. Nur für bedeutende Staatsmänner, egal welchen Amts oder welcher Epoche, werden durch Gesetz bundesunmittelbare Stiftungen geschaffen, die das Andenken an das Wirken dieser Politiker bewahren sollen. So wurden bis jetzt die Bismarck-, Ebert-, Heuss-, Adenauer- und Brandt-Stiftungen gegründet, die dauerhafte Ausstellungen und Archive beherbergen.

Das Leistungsprinzip in der Bundesrepublik

Willy Brandt
Eine Stiftung bewahrt sein Andenken: Willy BrandtBild: dpa

Ob es weitere Stiftungen geben wird, bleibe abzuwarten, meint Wolfram Hoppenstedt, Geschäftsführer der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung. "Schließlich geht es bei uns nach historischer Leistung der Staatsmänner; einen Automatismus wie in den USA gibt es hierzulande nicht."

Davon abgesehen seien sich die deutschen Stiftungen und die Presidential Libraries jedoch unter vielen Gesichtspunkten ähnlich; beide betrieben Ausstellungen, historische Forschung, politische Bildung, und - außer der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung - auch Archive. "Der Unterschied liegt in der Kultur; dieser Deal, dass der Präsident noch während seiner zweiten Amtszeit für seine Bibliothek Geld sammelt, wäre bei uns undenkbar."

Einfluss des Präsidenten

Diese Form der Finanzierung stellt die amerikanischen Bibliotheksmacher jedoch vor Probleme. "Es ist eine Sache, ob Sie für einen verstorbenen Staatsmann, über den schon viel geforscht wurde, eine Ausstellung organisieren, oder ob der ehemalige Präsident und seine Geldgeber mit am Tisch sitzen." Hoppenstedt hält den Einfluss, den die Präsidenten auf diese Weise auf die Bibliotheken und Ausstellungen ausüben können, für relativ groß: "Die Johnson Library gilt als die kritischste aller Bibliotheken. Aber schauen Sie sich die Gedenkstätte von John F. Kennedy an - eine einzige Heiligenshow."

Bleibt abzuwarten, wie objektiv die Bush-Bibliothek ausfallen wird. Mit der Planung dieser hat Bush jedenfalls bereits begonnen. Sie wird, wie schon die Bibliothek seines Vaters, in seinem Heimat-Bundesstaat Texas errichtet werden. Allerdings gibt es Streit um den genauen Standort; mehrere Universitätsleitungen wollen die Bibliothek auf ihren Campus holen - und mehrere Studentengruppen sind dagegen.