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Literatur

Leipziger Buchpreis geht an drei Frauen

Christine Lehnen
28. Mai 2021

Iris Hanika, Heike Behrend und Timea Tankó: Zum ersten Mal gewinnen drei Frauen den Preis der Leipziger Buchmesse. Hanika zeigte sich zunächst sprachlos.

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Eine Frau, die eine medizinische Maske trägt, hält drei Bücher in die Kamera, die den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen haben
Bild: Jan Woitas/dpa/picture alliance

Iris Hanika ist der Schock anzusehen, als ihr Name bekannt gegeben wird. Sie ist die Gewinnerin des Leipziger Buchpreises 2021 in der Sparte Belletristik. Erst nach einigen Momenten lacht sie auf: "Ich bin sehr schlecht im unmittelbaren Reagieren auf irgendwas, deshalb schreib ich auch gern, weil ich es hinterher noch oft verbessere. Ich danke der Jury, ich danke Freunden, Verlag, allen, allen! Mehr kann ich nicht sagen!"

Iris Hanika, 1962 in Würzburg geboren, hat bereits viele wichtige deutsche und europäische Literaturpreise gewonnen. Nun also auch den Preis der Leipziger Buchmesse für ihren Roman "Echos Kammern", der 2020 im unabhängigen Droschl-Verlag erschienen ist. Das Buch ist eine Neuerzählung des antiken Mythos von Echo und Narziss. Es erzählt vom Leben und Lieben in Berlin und New York, Protagonisten sind zwei ältere Frauen und ein junger Mann.

Eine Aufnahme der Autorin Iris Hanika auf einem Bildschirm, zu sehen bei der Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse. Neben ihrem Gesicht ist das Cover ihres ausgezeichneten Buches "Echos Kammern" zu sehen.
Preisverleihung unter Corona-Bedingungen: Die Jury war vor Ort in Leipzig, die nominierten Autorinnen und Autoren wurden per Video zugeschaltet. Hier: Iris HanikaBild: Jan Woitas/dpa/picture alliance

Mit der Auszeichnung hat sich die Jury für einen experimentierfreudigen Roman entschieden, der auch sprachlich Neues wagt. "Echos Kammern" ist in einer Art gebrochenem Deutsch geschrieben - so, wie man sich das Broken Englisch einer Deutschen in New York vorstellen würde. In ihrer Begründung bezeichnet die Jury Hanika als "eigensinnigste Stimme der deutschen Gegenwart" und lobt ihren "brutal-klaren" Blick auf die Gegenwart. "Dieses riskante Schreiben" zeichne Iris Hanika aus. 

Schreiben als Privileg 

Auch in den weiteren Kategorien, "Sachbuch/Essayistik" und "Übersetzung" gewannen zwei Frauen. Den Preis für das beste Sachbuch erhielt die Ethnologin Heike Behrend für "Menschwerdung eines Affen. Eine Autobiografie der ethnografischen Forschung", das bei Matthes & Seitz erschienen ist. Auch sie zeigte sich deutlich überrascht, als ihr Name verlesen wurde. "Bereits das Schreiben dieses Buches war ein großes Privileg, denn im etwas höheren Alter noch die Möglichkeit zu haben, über sein Leben, auch sein Forschungsleben noch einmal nachzudenken, ist ein großes Glück", so Behrend.

Bei "Menschwerdung eines Affen" handelt es sich einerseits um eine Autobiografie, andererseits um eine kritische Überprüfung ihrer eigenen Disziplin. Behrend stellt in ihrem Buch Fragen nach der Wahrheit, der Kritik und der kolonialen Geschichte. Das Ergebnis ist ein "packender Forschungsbericht", so die Jury in ihrer Begründung für die Nominierung des Buches. "Dieses Buch ist eine ebenso köstliche wie intellektuelle Affäre", so Jury-Mitglied Andreas Platthaus. Er bezeichnet es als "erhellendes Buch in diesen dunklen Zeiten."

Die Wissenschaftlerin Heike Behrend ist auf einem Videobildschirm während der Preisverleihung des Preises der Leipziger Buchmesse zu sehen. Neben ihrem Gesicht ist das Cover ihres Buches eingeblendet, "Menschwerdung eines Affen".
Reagierte ebenfalls überrascht: die studierte Ethnologin und Religionswissenschaftlerin Heike BehrendBild: Jan Woitas/dpa/picture alliance

Die dritte Frau, die an diesem Nachmittag einen Preis erhält, ist eine Tochter der Stadt: Die Übersetzerin und Dolmetscherin Timea Tankó ist 1978 in Leipzig geboren und arbeitet auf Deutsch, Ungarisch und Französisch. Sie wird ausgezeichnet für ihre Übersetzung aus dem Ungarischen von "Apropos Casanova: Das Brevier des Heiligen Orpheus" von Miklós Szentkuthy aus dem Verlag "Die Andere Bibliothek".

Die Jury begründete die Auszeichnung Tankós damit, sie habe den Text Szentkuthys in ein "lebendiges und klingendes Deutsch gebracht, dass es den Leser mal mitreißt, mal schlicht umwirft."

Die Übersetzerin Timea Tankó ist auf einem Videobildschirm während der Preisverleihung des Preises der Leipziger Buchmesse zu sehen.Vor ihr sieht man unscharf Messechef Martin Buhl-Wagner, der sich vor Ort in Leipzig befindet.
Timea Tankó freut sich über den Preis, verlesen hat ihn Messechef Martin Buhl-Wagner (l.)Bild: Jan Woitas/dpa/picture alliance

Der Preis der Leipziger Buchmesse ist einer der wichtigsten Literaturpreise im deutschsprachigen Raum. Er wird seit dem Jahr 2005 im Rahmen der Leipziger Buchmesse verliehen, nun das zweite Jahr in Folge unter Corona-Bedingungen. Er ist mit insgesamt 60.000 Euro dotiert. Ebenfalls auf der Leipziger Buchmesse wird der Preis zur Europäischen Verständigung verliehen, zuletzt an den Briten Johny Pitts und den Ungarn Laszlo Földenyi.

Die Leipziger Buchmesse verzeichnete bis zur Corona-Pandemie regelmäßig neue Besucherrekorde, zuletzt kamen 286.000 Buchliebhaber im Jahr 2019 nach Leipzig. 2022 soll die Messe wieder vor Ort und mit Besuchern stattfinden.