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„Lebensernte“

27. Oktober 2012

Von Pfarrer Max Koranyi, Königswinter

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Pfarrer Max Koranyi, Königswinter
Pfarrer Max Koranyi, KönigswinterBild: Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP)

Im Oktober steht Ernten auf dem Programm. Eine Zeit, die erzählt, dass sich Aussaat und Einsatz, Pflege und Geduld am Ende recht lohnen. Fleiß zahlt sich aus, und deshalb zahlt die Erde jetzt das aus, was man ihr anvertraut hat. Auch unsere Bauern im Rheinland feiern dann ihre Erntefeste. Zu Recht. Ein im Vereinwesen verdientes Ehepaar wird zum Erntekönig und zur Erntekönigin gekrönt und auf einer Kutsche durchs Dorf gefahren. Davor und dahinter dürfen farbenprächtig geschmückte Traktoren all das zeigen, was in den vergangenen Wochen an Buntem und Kostbaren aus der Erde herausgeholt wurde. Fußtruppen mit Schalmeien, Flöten und Glockenspielen tauchen das Ganze in quirlige Töne, und die eine oder andere Landfrauenbewegung sieht man schon mal als Schweinchen oder Hühner verkleidet, mit Lust Margeritensträuße verschenkend.

Oft stehe ich dann am Straßenrand und winke dem Erntekönigspaar zu. Und fast automatisch denke nun auch ich an meine Ernte, meine Lebensernte, die wahrscheinlich aus drei Hauptbeeten besteht, die jeder Mensch in seinem Leben anlegen und beackern darf. Da ist zunächst einmal das Feld, auf dem menschliche Beziehungen wachsen können. Daneben liegt all das bereit, was man beruflich anbauen kann. Und schließlich gibt es dort drüben noch den entspannten, bunten Garten der vielen Lebensfreuden und -genüsse. Alle drei Felder stehen unter der alten biblischen Düngeranweisung: „Diejenigen, die (unter Schweiß) und Tränen aussäen, werden einmal mit Freude ihre Ernte einbringen.“ (Ps 126.5). Also: Einsatz lohnt sich, keinen Preis ohne Fleiß!

Das gilt in all diesen drei Lebensbereichen. Pflanzen ist kein Kinderspiel und treu den Boden durch ständige Pflege versorgen ebenso wenig. Auch Freundes- und Familienbeziehungen wachsen nicht von selbst, im beruflichen Umfeld ist Einsatz gefragt, selbst unsere Freizeitentspannungen wollen wohl geplant und durchdacht sein. Natürlich weiß die Bibel sehr wohl, dass ohne den himmlischen Segen auf keinem unserer Lebensäcker – trotz eigener Anspannung – irgendeine Frucht entstehen würde. (vgl. Lk 12,16ff). Und dieses Licht von Oben kann dann sogar manch ungünstigen Witterungsbedingungen widerstehen.

Umgekehrt ist es aber ebenso wenig klug, die eigene Lebensernte mit den Händen im Schoß seelenruhig abzuwarten. „Wer gesegnet ist und dann auch selber reichlich aussät, der wird den Segen ernten“, umschreibt der Apostel Paulus unseren Erntebeitrag (2.Kor 9,6). Also, nur ja nicht z.B. auf dem Feld menschlicher Beziehungen zu rasch den Spaten fallen lassen! Was müssen nicht beispielsweise Eltern säckeweise Geduld aufbringen, auch unverständliche Furchen ihrer Kinder nachzuvollziehen, bis diese schließlich bei ihren eigenen Fruchterträgen angekommen sind. Auch ein Ehebeet kann von langweiligem Unkraut überwuchert oder gar erstickt werden Es braucht dann manchmal viel Fingerspitzengefühl, die Schlingpflanzen zu entfernen, um später gemeinsam eine Goldene Krone überreicht zu bekommen.

Als nächstes werfe ich noch einmal einen Blick auf mein Arbeits-Feld. Auch dort ist oft genug Rackern angesagt. Von allein kommen die reifen Bohnen nicht aus den Schoten heraus. Und manchmal bewässert man auch den falschen Ort. Dann kann es sinnvoll sein, das alte Land zu verkaufen, um ein neues Arbeitsstück zu roden, das am Ende doch noch fruchtbar sein wird. Und schließlich kommen mir am Schluss des Straßenumzugs noch die vielen Wildblumen in den Sinn, die dem Lebensgenuss dienen möchten. Aber auch hier: Bitte nicht zu schnell das Übungsheft fürs Klavier in den Graben pfeffern. Da gibt es Durststrecken, sicherlich, aber eines Tages darf man dann doch Stücke voller Glanz und Harmonie vom Notenblatt pflücken. So wie ja auch echte Kräuterbeete zum Verfeinern eines wahren Menüs gepflegt und von einem Kochkurs begleitet werden wollen. So kann unser Leben zu einem Garten werden, in dem wir und andere sich gerne bewegen, der Freude schenkt und die Welt bereichert.

Max Koranyi, Jahrgang 1952, ist evangelischer Pfarrer in Königswinter im Rheinland.