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Vorhang auf für den nächsten AfD-Akt

Marcel Fürstenau, z. Z. Schwerin4. September 2016

Auch in Mecklenburg-Vorpommern übernehmen die Rechtspopulisten eine Hauptrolle auf der politischen Bühne. Ihren Triumph bei der Landtagswahl feiern sie fast schon routiniert. Aus Schwerin Marcel Fürstenau.

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Die AfD-Politiker Leif-Erik Holm (l.) und Beatrix von Storch (2.v.r.) stoeßn mit Sketgläsern an.
Anstoßen auf den Wahlsieg: AfD-Spitzenkandidat Leif-Erik Holm (l.) und Bundesvorstandsmitglied Beatrix von StorchBild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Verkehrte Welt in Schwerin: Als auf den TV-Monitoren kurz nach Schließung der Wahllokale für die SPD 30 Prozent prognostiziert werden, bricht bei den Genossen in Schwerin lautstarker Jubel aus: trotz Stimmverlusten rund fünf Prozent gegenüber 2011. Ministerpräsident Erwin Sellering spricht kurze Zeit später vom "schwersten", aber auch "schönsten" Wahlkampf. Um das zu verstehen, muss man wissen, dass die seit 1998 regierenden Sozialdemokraten lange mit einem noch viel schlechteren Ergebnis rechnen mussten. In Umfragen hatten sie sich vorübergehend der 20-Prozent-Marke genähert. Zuletzt habe er aber so viel Zuspruch gespürt wie nie zuvor.

Groß ist nun die Erleichterung, mit deutlichem Vorsprung wieder stärkste Fraktion geworden zu sein. Vor allem die Alternative für Deutschland (AfD) konnte deutlich auf Distanz gehalten werden. Davon können die Christdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten, Innenminister Lorenz Caffier, noch nicht einmal träumen. Das Duell gegen die Rechtspopulisten hat seine Partei verloren.

"Gegen REchts und Populismus" steht auf einem Wahlplakat der Grünen
Gegen die AfD plakatierten auch die Grünen - vergeblichBild: DW/M. Fürstenau

Man wäre ja schon froh gewesen, wenn es mit knapp 20 Prozent wie gewohnt zu Platz zwei gereicht hätte. Doch den hat ihr die AfD abspenstig gemacht. Damit geht die CDU in Mecklenburg-Vorpommern als jener Landesverband in die Partei-Historie ein, die als erste von einem Konkurrenten rechts überholt wurde.

Der Merkel-Malus schlägt in Schwerin voll durch

Caffier weiß genau, wie es dazu gekommen ist. Es habe nur ein Thema gegeben: die Flüchtlingspolitik. Dabei seien doch nur drei Prozent der Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern untergebracht worden und das habe reibungslos geklappt… Natürlich weiß auch der Innenminister, dass die Wahl in seinem Bundesland eine Abstimmung über den Kurs seiner Parteifreundin Angela Merkel war. So war es schon am 13. März, als die CDU in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt Federn lassen musste.

"Polizei stärken" steht auf einem AfD-Wahlplakat
Könnte auch von anderen Parteien stammen, steht aber auf einem Plakat der AfDBild: DW/M. Fürstenau

Immerhin spricht einiges dafür, dass der Union in Mecklenburg-Vorpommern die Oppositionsbank erspart bleibt. Denn zusammen mit der SPD würde eine rot-schwarze Koalition rechnerisch trotz der herben Verluste beider Parteien weiterhin über eine stabile Mehrheit verfügen. Es wäre das dritte Bündnis in Folge. Allerdings mit einem schwer angeschlagenen Juniorpartner CDU. SPD-Regierungschef Sellering nennt das Abschneiden am Wahlabend ein "deprimierendes Ergebnis". Aufmunternde Worte klingen anders.

Die Rechtspopulisten haben von (noch) mehr geträumt

Derweil sagt AfD-Spitzenkandidat Leif-Erik Holm in Schwerin, man schreibe "hier heute in Mecklenburg-Vorpommern Geschichte". Umso erstaunlicher ist der im ersten Moment recht verhaltene Jubel im AfD-Partyzelt. Kein Vergleich zu der ausgelassenen Stimmung bei der SPD. Anscheinend haben beim Shootingstar der deutschen Politszene viele tatsächlich davon geträumt, sogar die Nummer eins zu werden. Geradezu routiniert kommentiert AfD-Frontmann Alexander Gauland das Ergebnis seiner Partei im hohen Norden. Nun müssten die anderen Parteien "ihre Oppositionshaltung aufgeben", sagt der ehemalige CDU-Politiker und amtierende AfD-Fraktionschef im Brandenburger Landtag.

Linken-Politiker Gregor Gysi auf einem Wahlplakat seiner Partei.
Auch Linken-Star Gregor Gysi konnte seiner Partei im Wahlkampf-Schlussspurt nicht mehr helfenBild: DW/M. Fürstenau

Im Schatten von AfD, SPD und CDU ringen die Anderen vergeblich um Aufmerksamkeit. Dabei sind insbesondere zwei Ergebnisse bemerkenswert. Die Linke muss ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis verdauen: Rund 13 Prozent für jene Partei, die von 1998 bis 2006 (damals noch als PDS) eine Koalition mit der SPD bildete. In diesen guten, alten Zeiten war Helmut Holter Arbeitsminister. Nun befürchtet er als Fraktionsvorsitzender im Schweriner Landtag eine "schreckliche Zeit".

NPD: Haben wichtige Themen "salonfähig" gemacht

Ganz andere Töne schlägt Udo Pastörs von der rechtsextremen NPD an. "Respekt " für das Ergebnis der AfD, der er "alles Gute" wünscht. Seine Partei aber habe die "wichtigen Themen erst salonfähig" gemacht, sagt der NPD-Fraktionschef im Moment seiner größten Niederlage. Dem nächsten Landtag werden Pastörs und fünf weitere Abgeordnete seiner Fraktion nämlich nicht mehr angehören. Damit ist auch die letzte Bastion jener Partei geschleift, gegen die vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Verbotsverfahren läuft.

Das Urteil wird vielleicht schon bald gesprochen werden. Zu einem Zeitpunkt, an dem die NPD endgültig in der Bedeutungslosigkeit versunken ist. Nun sorgen die Rechtspopulisten von der AfD für Schlagzeilen. Nach acht erfolgreichen Landtagswahlen seit 2013 ist in Schwerin der neunte Vorhang für die erst drei Jahre alte Partei hochgegangen. Die Bühne dafür ist in Schwerin tatsächlich ein Theater. Es dient als Provisorium für den Landtag, weil im angestammten Sitz, dem Schloss vis-à-vis, ein neuer Plenarsaal gebaut wird.

In der Nacht ist das vorläufige amtliche Endergebnis bekanntgeben worden. Demnach hat die SPD die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern klar gewonnen. Nach Auszählung aller Stimmen erzielte sie 30,6 Prozent. Die neu angetretene AfD zieht mit 20,8 Prozent auf Anhieb als zweitstärkste Kraft ins Landesparlament. Dahinter kam die CDU auf 19,0 Prozent. Die Linke fiel auf 13,2 Prozent. Die Grünen gehören mit 4,8 Prozent dem Landtag nicht mehr an, ebenso die rechtsextreme NPD mit 3,0 Prozent. Die FDP verfehlte mit ebenfalls 3,0 Prozent die Rückkehr ins Parlament. Die Wahlbeteiligung stieg auf 61,6 Prozent.