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Lage nach Großdemos wieder ruhig

28. Dezember 2013

Die Situation in den türkischen Großstädten Ankara und Istanbul hat sich nach den Ausschreitungen vom Freitag weitgehend beruhigt. Die politische Gefahr für Ministerpräsident Erdogan ist aber noch längst nicht gebannt.

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Türkei Korruptionsskandal Ausschreitungen Istanbul 27.12.13
Bild: picture-alliance/dpa

Die Bilanz der Proteste lässt erahnen, wie heftig die Konfrontation der Gegner des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan und der Sicherheitskräfte war: mehrere Verletzte und zahlreiche Festnahmen, Gewalt gegen Polizisten, Tränengas gegen Demonstranten. Am Samstagmorgen hatte sich die Lage in der Hauptstadt Ankara und in der Millionenmetropole Istanbul zwar weitgehend beruhigt, die Polizisten blieben jedoch auf ihren Posten.

Vor allem rund um den symbolträchtigen Taksim-Platz in Istanbul und im Ausgehviertel von Ankara war es zu heftigen Zusammenstößen gekommen.

Erdogan unter Druck der Straße

Frust und Gewalt

Im Zentrum der Proteste stand die Verärgerung der Demonstranten über die Regierung Erdogan. Immer wieder skandierten sie Parolen wie "Regierung, tritt zurück!" und "Korruption ist überall".

In den vergangenen Tagen war bekannt geworden, dass mehrere Minister und ihre Angehörigen in einen Korruptionsskandal offenbar gigantischen Ausmaßes verstrickt sein sollen. Drei Minister hatten daraufhin ihren Rücktritt erklärt, sieben weitere wurden von Ministerpräsident Erdogan abgesetzt, so dass jetzt zehn der 26 Kabinettsposten neu besetzt sind.

Den Regierungsgegnern gehen diese Maßnahmen jedoch nicht weit genug. Ihrer Ansicht nach muss auch der seit zwölf Jahren regierende Erdogan zurücktreten.

Nach Presseberichten ermittelte die Staatsanwaltschaft in der Korruptionsaffäre auch gegen Bilal, einen seiner beiden Söhne.

EU ist "zunehmend besorgt"

Für den Beitrittskandidaten Türkei kommen die innenpolitischen Unruhen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Der für die Verhandlungen zuständige EU-Kommissar Stefan Füle sagte, er verfolge die Entwicklung in der Türkei "mit zunehmender Besorgnis". Er erinnerte die Regierung in Ankara an ihre Pflichten als Beitrittskandidat und forderte sie auf, "alle nötigen Schritte zu unternehmen, damit die Vorwürfe von Rechtsverletzungen ohne Benachteiligung oder Bevorzugung transparent und unparteiisch aufgeklärt werden".

Damit spielte Füle auf die Entscheidung der türkischen Regierung an, zahlreiche hochrangige Ermittler von dem Korruptionsfall abzuziehen. Die Justiz müsse unabhängig arbeiten können, forderte der EU-Kommissar. Die von der Regierung beschlossenen Änderungen der Polizeiarbeit hätten "die Unabhängigkeit der Justiz und deren Handlungsfähigkeit untergraben".

Erdogans Stern sinkt

Für den deutschen Europaabgeordneten Elmar Brok hat Ministerpräsident Erdogan "seinen Zenit überschritten". Die Türkei gehe in sehr unsichere und instabile Zeiten, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament im Deutschlandfunk. Er halte nicht den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union für das vorrangige Ziel, sondern eine enge Bindung im Rahmen einer europäischen Wirtschaftsrunde. Die Türkei sei "heute für uns strategisch von größerer Bedeutung als noch zur Zeit des Kalten Kriegs", so der CDU-Politiker.

Elmar Brok / EU-Parlament / CDU / EVP
Bild: dapd

Beobachter sehen den Konflikt in der Türkei als eine Machtprobe zwischen Regierung und Justizapparat an. Vier Monate vor den Kommunalwahlen gilt Ministerpräsident Erdogan als angeschlagen. Zudem erklärten drei Abgeordnete der regierenden Partei Gerechtigkeit und Freiheit (AKP) ihren Austritt und die Landeswährung rutschte auf ein Rekordtief: Für einen US-Dollar mussten zeitweise 2,1765 türkische Lira gezahlt werden.

mak/ml (dpa, afp)