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Lafontaine: Deutschland muss ein neutraler Partner sein

Das Gespräch führte Naser Shrouf8. August 2006

Im Nahost-Konflikt folgt die Bundesregierung zu stark der amerikanischen Linie, kritisiert Oskar Lafontaine, Fraktionschef der Linkspartei im DW-WORLD-Interview.

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Oskar LafontaineBild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD.DE: Herr Lafontaine, die israelische Offensive im Libanon hält an. Was muss Ihrer Meinung nach geschehen?

Oskar Lafontaine: Erstens eine Waffenruhe, weil wir vermeiden müssen, dass weitere Menschen ums Leben kommen, verletzt werden oder dass ihre Gesundheit auf Dauer beschädigt wird. Zweitens fordern wir von den beteiligten Parteien, endlich das Völkerrecht zu beachten. Die Lage im Vorderen Orient ist ja sehr, sehr schwierig und immer wieder gibt es gegenseitige Schuldzuweisungen. Aber Grundlage eines Friedens muss das Völkerrecht sein. Alle beteiligten Parteien - einschließlich der der USA, Israels und der Hisbollah - müssen das Völkerrecht in Zukunft beachten, was ja in der Vergangenheit nicht geschehen ist. Und drittens sprechen wir uns für eine internationale Friedenstruppe aus, die aber auf beiden Seiten der Grenze stationiert werden soll, um von den beteiligten Partnern auch als neutrale Truppe angesehen zu werden.

Wie bewerten sie die Haltung der Bundesregierung?

Die Bundesregierung bemüht sich natürlich ihren Beitrag zu leisten, um den Konflikt zu entschärfen. Sie ist aber stets in Gefahr - und das ist unsere Kritik - sich zu stark an die amerikanische Politik anzulehnen. Und die USA werden bekanntlich, zumindest von der arabischen Welt, nicht als neutral angesehen. Insofern wird auch die Bundesregierung, wenn sie sich zu eng an die Politik der USA anlehnt, keinen entscheidenden Beitrag zu besseren Bedingungen im vorderen Orient leisten können.

Schadet diese Politik Ihrer Meinung nach den deutschen Interessen in der arabischen Welt?

Nach unserer Meinung steht jetzt die Erhaltung des Lebens der Menschen, die durch diesen Krieg betroffen sind, im Vordergrund. Deshalb wäre die Frage, ob wir da oder dort unsere wirtschaftlichen Interessen nicht so wahren können, wie wir gerne es gerne wünschten, zweitrangig. Zum anderen: Ich glaube, dass die deutsche Politik immer gut fährt, wenn sie von allen Seiten als ein Partner angesehen wird, der fair ist, der neutral ist und versucht, gerechte und faire Beziehungen aufzubauen. Insofern glaube ich, dass es sehr wohl möglich ist, in diesem Konflikt gute Beziehungen zu Israel und zur arabischen Welt gleichermaßen aufrechtzuerhalten. Die Voraussetzung ist allerdings, dass man als ein fairer Partner angesehen wird - und zwar von beiden Seiten. Die große historische Schuld, die die Deutschen durch die Verbrechen der Nazis auf sich geladen haben, kann nicht dadurch gut gemacht werden, dass man sich gegenüber den Palästinensern oder den Arabern nicht neutral verhält. Vielmehr sind wir auch verantwortlich für das Schicksal der Palästinenser: Denn letztendlich sind die Gründung des Staates Israels und die Vertreibung der Palästinenser ja auch auf die Verbrechen der Nazis zurückzuführen.

Wo sehen Sie die Grenzen der Kritik an Israel?

Man muss, wenn man die Handlungen anderer beurteilt, klare Grundsätze haben. Und zu den klaren Grundsätzen, die die Linke vertritt, gehört das Völkerrecht. Nur das Völkerrecht kann im Vorderen Orient den Weg vorgeben, auf dem der Frieden zu finden ist. Daher ist es niemandem erlaubt, das Völkerrecht zu missachten, das gilt für Israel und für alle anderen Parteien.

Ein großer Teil der arabischen Öffentlichkeit hält die Außenpolitik der USA gescheitert - zu Recht?

Die Außenpolitik der USA im Vorderen Orient ist gescheitert, da sie ja nicht darauf ausgerichtet war, Freiheit und Demokratie im Vorderen Orient zu erreichen oder demokratische Wahlen zu ermöglichen oder andere Ziele zu befolgen, die vorgegeben waren. Sondern die Politik war stets darauf ausgerichtet, sich die Öl- und Gasvorräte der Region zu sichern. Eine solche Politik ist aber antiquiert, weil sie eine Fortsetzung des Kolonialismus früherer Zeiten ist. Eine Außenpolitik, die im Kern solche Ziele verfolgt, kann niemals zum Frieden beitragen.

Wie kann die Opposition die Haltung der Bundesregierung verändern?

Die Aufgabe der Opposition ist es zunächst einmal, die Bundesregierung in der Außenpolitik kritisch zu unterstützen. Das möchte ich vorwegschicken, weil es ja darum geht, die Interessen unseres Landes zu vertreten. Auf der anderen Seite ist es genauso unsere Aufgabe, die Außenpolitik dort zu kritisieren, wo sie falsch ansetzt und deshalb habe ich gesagt: Die Bundesregierung darf sich bei ihren Bemühungen nicht zu sehr in das Fahrwasser der Bush-Administration begeben. Denn die Bush-Regierung hat mit ihrer Außenpolitik in der arabischen Welt jedes Renommee und jedes Ansehen verspielt.

Oskar Lafontaine (62) ist Fraktionsvorsitzender der Linkspartei. Von 1995 bis 1999 war er Vorsitzender der SPD, nach dem SPD-Wahlsieg 1998 wurde er Finanzminister, trat nach einem halben Jahr jedoch von dem Posten zurück.