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Gürtelrose und Corona-Impfungen

Gudrun Heise
4. Februar 2022

Der Verdacht, dass Corona-Impfungen Gürtelrose auslösen könnten, hält sich in den Sozialen Medien hartnäckig. Ist es ein willkommenes Argument für Impfgegner oder ist da wirklich etwas dran?

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Gürtelrose unter der Brust
Bei einer Gürtelrose bilden sich Bläschen auf der HautBild: CHROMORANGE/imago images

Herpes Zoster, auch bekannt als Gürtelrose, verursacht Bläschen auf der Haut, die zu schlimmen Schmerzen führen können. Aber kann es sein, dass eine Corona-Impfung dafür verantwortlich ist, dass eine Gürtelrose ausbricht? Das Paul-Ehrlich-Institut winkt ab. In seinem Bericht vom 20. September 2021 listet das Institut mögliche Nebenwirkungen auf, die nach einer Corona-Impfung auftreten können. Dazu hat das Institut die Häufigkeit von Nebenwirkungen mit entsprechenden Statistiken verglichen und Geimpfte und Ungeimpfte einander gegenübergestellt.

Der untersuchte Zeitraum reichte vom 27. Dezember 2020 bis zum 31. August 2021. Letztlich kam das Paul-Ehrlich-Institut zu dem Schluss, dass es keinen Zusammenhang zwischen Gürtelrose und Corona-Impfung gibt.

Das Paul-Ehrlich-Institut kontrolliert die Sicherheit von Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln in Deutschland. Die Abteilung Arzneimittelsicherheit sammelt Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen und bewertet diese, so auch im Fall von Corona-Impfstoffen.

"Für die folgenden Erkrankungen ergab sich aufgrund der Zahl der Meldungen an das Paul-Ehrlich-Institut kein Risikosignal innerhalb von 14 beziehungsweise 30 Tagen nach allen vier zugelassenen COVID-19-Impfstoffen", so das renommierte Institut in seinem Bericht.

"Aktuell gibt es weder in Deutschland noch EU-weit ein Risikosignal dafür, dass die COVID-19-Impfungen (oder eine davon) eine Gürtelrose auslöst", schreibt das Institut an die DW.

Davon ist auch Thomas Bieber überzeugt. Er ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie an der Uniklinik Bonn. "Nichts weist darauf hin, dass eine Corona-Impfung Einfluss auf den Ausbruch einer Gürtelrose hat, genauso wenig wie eine natürliche Infektion mit dem Corona-Virus und Gürtelrose in Zusammenhang gebracht werden kann. Wenn beides  zusammentrifft, ist das Zufall. Gürtelrose ist eine Erkrankung, die saisonal auftaucht. Besonders viele Fälle gibt es im Herbst und im Winter", erklärt Bieber.

Zuerst kommen die Windpocken

Der Vorläufer einer Gürtelrose sind die Windpocken, eine typische Kinderkrankheit. Bei dieser Erkrankung zeigt sich ein stark juckender Hautausschlag mit roten Bläschen auf der Haut. Wenn sie aufgekratzt werden, entstehen Narben.

Kind mit Windpocken
Das Virus, das Windpocken auslöst, behalten wir ein Leben lang im KörperBild: loflo69/Panthermedia/imago images

Ausgelöst werden die Windpocken durch das Varicella-Zoster-Virus, das wiederum zur Familie der Herpes-Viren gehört, daher auch der Name Herpes-Zoster-Virus.

Das Immunsystem von Kindern kommt mit diesem Virus meist gut klar und ist in der Lage, es effektiv zu bekämpfen. Das Gefährliche aber ist: Selbst wenn die akute Phase vorüber ist und die Bläschen abgeheilt sind, schlummert das Virus weiter im Körper und das ein Leben lang. Es ist quasi die ganze Zeit in einer Art Lauerstellung und bereit, erneut aktiv zu werden. Dann löst es eine Gürtelrose aus, und die kann mit starken Nervenschmerzen einhergehen.

Prinzipiell kann Gürtelrose überall am Körper auftreten. Meistens aber sind Bauch und Rücken betroffen. Die Bläschen legen sich wie ein Gürtel um diese Region. Aber auch die Kopfhaut oder das Gesicht können befallen sein und auch langfristig starke Schmerzen auslösen, sogenannte Post-zosterische Neuralgien.

Psychischer und physischer Stress

Das schlummernde Varicella-Herpes-Zoster-Virus kann durch verschiedene Faktoren reaktiviert werden, vor allem durch ein geschwächtes Immunsystem. Dieses ist dann meist nicht mehr in der Lage, sich gegen das angreifende Virus zu wehren.

Die Gründe für ein nicht so gut funktionierendes Immunsystem sind vielfältig. Ein wichtiger ist Stress: Nicht nur physischer, sondern auch psychischer Stress können das Immunsystem schwächen und so dazu führen, dass das Varicella-Herpes-Zoster-Virus wieder aktiv wird und dann eben eine Gürtelrose auslöst.

Außerdem sind ältere Menschen besonders anfällig für eine Gürtelrose, da die Wehrhaftigkeit des Immunsystems im Alter nachlässt. 50 Prozent aller Patienten mit Herpes Zoster sind älter als 60 Jahre.


Infografik Abwehrsystem des Menschen DE
Unser Immunsystem wehrt Viren ab

Studien zu Nebenwirkungen nach Corona-Impfung

Eine israelische Forschergruppe kam zu dem Ergebnis, dass mRNA-Impfstoffe wie etwa die von Moderna oder BioNTech/Pfizer bei einer begrenzten Anzahl von Patienten Gürtelrose aktivieren könnte. Die Studie konzentrierte sich auf Patienten mit autoimmunen, entzündlichen, rheumatischen Erkrankungen, kurz AIIRD (Autoimmune inflammatory rheumatic disease). Diese Patienten sind ein typisches Beispiel für ein geschwächtes Immunsystem.

Die Forschenden des Tel Aviv Sourasky Medical Center und des Carmel Medical Center in Haifa hatten 491 Patienten und 99 Kontrollpersonen beobachtet. Bei insgesamt sechs Patienten mit AIIRD trat nach der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff Herpes Zoster auf. 

Die Schlussfolgerung der israelischen Forscher: "Epidemiologische Studien zur Sicherheit der mRNA-basierten COVID-19-Impfstoffe bei Patienten mit AIIRD sind erforderlich, um den Zusammenhang zwischen der BNT162b2-mRNA-Impfung und der Reaktivierung von Zoster zu klären."

Und das Schweizerische Heilmittelinstitut swissmedic erklärte, dass es zu 214 Fälle von Herpes Zoster nach einer Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty von BioNTech/Pfizer gekommen sei. 11.467 Fälle waren ausgewertet worden. Unklar ist aber auch hier, ob dafür eine Corona-Impfung verantwortlich gemacht werden kann und ob letztendlich ein mRNA-Impfstoff der Auslöser ist.

Das Herpes-Virus ist hinterhältig

Menschen, die Immunsuppressiva nehmen müssen, damit ihr Immunsystem kein körpereigenes Gewebe angreift oder Personen, die unter einer Autoimmunerkrankung wie Multiple Sklerose, Diabetes mellitus Typ 1 und rheumatischen Erkrankungen leiden, sind besonders anfällig für eine Gürtelrose. Letztere standen bei der Schweizer Studie im Mittelpunkt. Menschen, mit solchen Erkrankungen sind unabhängig von einer Impfung gefährdet.

Wer besorgt ist, kann sich gegen die Gürtelrose impfen lassen. Für Personen, die unter Grunderkrankungen wie Autoimmunkrankheiten leiden, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) den seit 2018 zugelassenen Impfstoff ab einem Alter von 50 Jahren. Allen anderen rät die STIKO zu einer Impfung ab dem sechzigsten Lebensjahr.