Ökonomische Bildung
22. April 2010Das erstaunt umso mehr, betrachtet man die Fakten zum deutschen Mittelstand. Zwei von drei Arbeitnehmern sind hier beschäftigt. Über 90 Prozent der deutschen Unternehmen sind mittelständische Betriebe. Von ihnen ist aber in den Schulbüchern, laut Studie, wenig die Rede. Wenn es um Unternehmen geht, "dann sind es meist global agierende Unternehmen, die sich Länder suchen, in denen es billige Löhne gibt, um dort ihre Produktionsstandorte zu errichten“, sagt Bildungsforscherin Schare.
Wer ist schuld an der Misere?
Auch wenn Schulbücher in Zeiten von Internet und e-books unwichtiger würden, seien sie nach wie vor Leitmedien, die den Unterricht strukturieren, erläutert Teresa Schare. Sie macht die oft veralteten Lehrpläne verantwortlich, denn nach denen richten sich die Schulbücher. Außerdem fehle in vielen Schulen das Fach Wirtschaft. Ökonomische Themen tauchen dann in den Arbeitslehre-, Geschichts-, Erdkunde- oder Politikstunden auf. Viele Forscher und Interessenverbände wollen, dass sich das ändert und fordern ein eigenes Schulfach Wirtschaft an allen Schulen.
Ist die Kritik berechtigt?
Die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft ist nicht die einzige mit dieser Forderung. Justus Lenz hat für die liberale Friedrich-Naumann-Stiftung deutsche und schweizerische Bücher verglichen. Vor allem in Erdkundebüchern würden wirtschaftliche Themen emotional und ideologisch gefärbt dargestellt, kritisiert er.
Susanne Grindel vom Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung aus Braunschweig bewertet die ökonomische Bildung in Deutschland positiver. Die Historikerin hat 2007 Schulbücher aus Schweden, Großbritannien und Deutschland verglichen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Schulbücher besser sind als ihr Ruf, dass keine ideologischen Einseitigkeiten oder Wirtschaftsfeindlichkeit gepflegt werden." Allerdings hat auch Grindel festgestellt, "dass freies Unternehmertum, Risikobereitschaft, Marktwirtschaft und Wettbewerb nicht an erster Stelle stehen und auch nicht unkritisch gesehen werden." Von der derzeit verbreiteten Schulbuch-Schelte hält die Historikerin jedoch nichts.
Den Lehrern vertrauen
Grindel plädiert dafür, den Lehrern zu vertrauen. Gerade zu Wirtschaftsthemen gebe es genügend Materialien und Arbeitsblätter, mit denen Lehrer den Unterricht gestalten können. Zudem gibt es viele Projekte, die den Unterricht ergänzen und in der Praxis wirtschaftliches Handeln lehren. Ein Beispiel ist das Projekt "Business@School" von der Unternehmensberatung Boston Consulting.
Einzelne Projekte reichen jedoch nicht aus, meint Katrin Eggert, Geschäftsführerin des Instituts für Ökonomische Bildung an der Universität Oldenburg. Da Wirtschaft einer ganz anderen Logik als Geschichte oder Erdkunde folge, fordert sie neben einem eigenen Fach Wirtschaft auch die entsprechende Ausbildung der Lehrkräfte. In Oldenburg studieren im Moment über 400 angehende Lehrer im derzeit einzigen Studiengang "Ökonomische Bildung" und lernen, wie sie später vor der Schulklasse Wirtschaft unterrichten.
Auch viele Lehrer befürworten eigenständigen Wirtschaftsunterricht, so zum Beispiel Udo Beckmann, Bundesvorsitzender vom Verband Bildung und Erziehung. Diese Forderung gelte nicht nur für Realschulen, wo derzeit in Nordrhein-Westfalen ein Modellprojekt für Wirtschaftsunterricht laufe, sondern auch für Gymnasien, ergänzt er.
Autorin: Susanne Schäfer
Redaktion: Zhang Danhong