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Welche Krise?

Alexandra von Nahmen14. Oktober 2008

Die russischen Börsen sind weltweit mit am stärksten von der Finanzmarktkrise betroffen. Doch im staatlichen kontrollierten Fernsehen werden Worte wie "Krise" oder "Kollaps" vermieden.

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Bild: DW

Immer wieder musste der Handel an den Moskauer Börsen in den vergangenen Wochen ausgesetzt werden. Die russischen Wertpapiere haben seit Mai rund 60 Prozent an Wert verloren. Selbst der Gasmonopolist Gazprom, ein Schwergewicht unter den russischen Unternehmen, büßte in nur einem Monat ein Drittel seines Aktienwertes ein. Im Internet mehren sich Berichte darüber, dass Baufirmen Projekte auf Eis legen und Supermarktketten Mitarbeiter zu entlassen beginnen. Der internationale Währungsfonds senkt die Wachstumsprognose für Russland ab. Im Fernsehen aber wird die Krise totgeschwiegen oder zumindest schöngeredet.

Was das Fernsehen nicht zeigt

Eine Rede des Finanzministers Aleksej Kudrin, in der er kürzlich vor Experten die Lage eher negativ beurteilt hatte, wurde im staatlichen Fernsehen gar nicht gesendet. Als der russische Leitindex RTC an einem Tag rund 19 Prozent verlor, und die Finanzaufsicht den Handel unterbrach, war in den Nachrichtensendung des ersten und des zweiten Kanals davon nichts zu sehen – stattdessen wurden Bilder des Millionärs Michail Fridman gezeigt, der den russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew über neue Chancen für russische Unternehmen im Ausland informierte.

Nach Informationen der englischsprachigen "Moscow Times" haben die russischen Fernsehsender von höchster Stellung Anweisungen bekommen, negativ besetzte Vokabeln wie "Kollaps" oder "Krise" nicht zu verwenden. Sprecher der vom Staat kontrollierten Kanäle bestreiten aber, entsprechende Instruktionen aus dem Kreml erhalten zu haben.

Ahnungslos in Moskau

Dabei ist die russische Regierung ebenso wie andere Regierungen in Europa fieberhaft dabei, ein Hilfspaket nach dem anderen zu schnüren, um die heimischen Märkte, die heimischen Banken und Unternehmen zu stützen. Milliarden werden dabei vom Staat zur Verfügung gestellt. Welche Auswirkungen die Finanzkrise auf Russland langfristig haben wird, darüber streiten die Experten. Die einen glauben fest daran, dass die Gewinne der Unternehmen und die Einkommen der Bürger schon nächstes Jahr schrumpfen würden, und dass der Konsum zurückgehen wird. Andere vertrauen auf das bislang robuste Wachstum, auf die 560 Milliarden Dollar an staatlichen Gold- und Devisenreserven.

Nur eins steht fest: am stärkten geraten die russischen Oligarchen im Zuge der Krise unter Druck. Der reichste Mann des Landes, Oleg Deripaska, hat sich bereits von Anteilen an einem kanadischen Autozulieferer und einem deutschen Baukonzern trennen müssen. Ein anderer, der Milliardär Alexander Lebedew, versucht dieser Krise sogar etwas Positives abzugewinnen. Denn sie könne dazu führen, dass Wohnungen in Moskau endlich erschwinglich werden, und man keine fünfzehn Euro mehr für ein Glas Wein zahlen muss.

Spannende Einsichten zur Krise in Russland. Nur die Zuschauer der Nachrichten im staatlichen Fernsehen bleiben dabei auf der Strecke. Sie bekommen davon nämlich nichts mit.