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Krise fördert Korruption

29. Mai 2009

Jeder vierte Arbeitnehmer in Deutschland hat nichts gegen Korruption, wenn sie der Firma hilft, die Wirtschaftskrise zu überstehen. Das ist das Ergebnis einer Studie von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst&Young.

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Symbolbild Korruption: Geldbündel in Waage
Mit Schmiergeld gegen die KriseBild: AP

Insgesamt wurden über 2246 Arbeitnehmer in 22 europäischen Ländern befragt. Wichtigste Erkenntnis: Jeder vierte Befragte hält Schmiergeldzahlungen in der Krise für gerechtfertigt. In Osteuropa ist die Bereitschaft, das Geschäft vor die Moral zu stellen, noch höher. Dieses Ergebnis hat selbst den Autor der Studie und Anti-Korruptionsexperten Stefan Heißner überrascht. Wenn ein Viertel der Befragten bereit sei, das offen zu kommunizieren, müsse man davon ausgehen, dass die Dunkelziffer viel höher liege, sagt Heißner gegenüber DW-DORLD.DE.

Ein Mann hält Geldscheine mit HandschellenEin 500-Euro-Schein wird
Menschlich teilweise nachvollziehbar, gesetzlich verbotenBild: Bilderbox

Schuld daran ist die Wirtschaftskrise. Knapp 60 Prozent der Deutschen erwarten einen Anstieg der Korruption in der Wirtschaft und führen das auf den enormen Druck zurück, dem die Unternehmen ausgesetzt sind. Nach dem Motto: lieber schmieren als Pleite gehen. Das sei zwar menschlich verständlich, aber gesetzlich verboten, darüber gebe es gar keine Diskussion, sagt Experte Stefan Heißner: "Mann muss sich auch vor Augen führen, dass eben eine Strafbarkeit wegen Korruption, Bestechung oder Bestechlichkeit dazu führt, dass die Existenz dann wirklich im Eimer ist."

Sinkende Moral bei Stellenabbau

Dr. Stefan Heißner, Anti-Korruptionsexperte bei Ernst&Young (Foto: Enrst&Young)
Stefan Heißner, Autor der Studie über Korruption in der KriseBild: Ernst & Young AG

Im Eimer könnte auch die Moral landen, wenn die Unternehmen Stellenabbau in großem Stil betreiben. Das glauben 60 Prozent im europäischen Durchschnitt, in Deutschland sogar nahezu 80 Prozent. Wenn Stellen abgebaut werden, muss sich der Arbeitnehmer neu orientieren. Er muss die Frage klären, ob er in dem Unternehmen noch eine Zukunft hat oder ob er sich nach Alternative umschauen muss. "Je mehr dann auch dieses Umschauen Überhand gewinnt, desto mehr findet auch eine Abkopplung vom eigenen Unternehmen, zumindest mental, statt." sagt Stefan Heißner von Ernst&Young.

Massenhafter Stellenabbau geht oft einher mit einer Unternehmensfusion. Fast die Hälfte der Deutschen ist überzeugt, dass sich während einer Übernahme die Tür zur Korruption weiter öffnet. Denn eine Fusion bedeute laut Heißner nicht nur den Zusammenschluss zweier Unternehmen, es könnten zwei unterschiedliche Unternehmenskulturen aufeinander prallen. Verschiedene Regelungen im Kontrollsystem würden zuerst zu einer höheren Intransparenz führen.

Oft profitieren beide Seiten

Baustelle mit Transparent "Billiglohn macht arbeitslos" (Foto: AP)
Wo gebaut, investiert oder eingekauft wird, sind die Menschen anfällig für BestechungBild: AP

Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise werden die Karten in einer Branche oft neu gemischt. Übernahmen oder Fusionen stehen auf der Tagesordnung. Alles Faktoren, die die Korruptionsbekämpfung nochmals erschweren, denn auch in normalen Zeiten ist es äußerst mühsam, den Sumpf der Korruption auszutrocknen. Der Grund liege darin, dass oft beide Seiten von der kriminellen Praxis profitieren, meint Anti-Korruptionsexperte Stefan Heißner: "Wir haben im Vergleich zu Betrugsdelikten nicht die Situation, dass es direkt auffällt, dass jemand geschädigt wurde." Er nennt den Vertrieb als Beispiel: "Wenn dort ein Mitarbeiter schmiert, wird er vielleicht noch als erfolgreicher Mitarbeiter angesehen, der auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer noch in der Lage ist, ein entsprechendes Volumen an Geschäften zu generieren."

Im Einkaufsbereich fällt es noch schwerer, Korruptionsfälle aufzudecken, weil die Beweise nur außerhalb des Betriebes zu finden sind.

Doch so wenig erfolgversprechend, wie die Studie von Ernst&Young vermuten lässt, sei der Kampf gegen die Korruption in Wirklichkeit gar nicht, sagt Heißner. Vielmehr sei in den letzten Jahren ein Prozess der Ächtung von Korruption in Gang gesetzt worden, der auch global betrieben werde, Denn Korruption sei nicht nur ein Thema der Unternehmen, sondern stelle ein gesamtgesellschaftliches Problem dar. Korruption sei oft das größte Übel, das verhindere, dass sich Staaten oder ganze Länderregionen so entwickeln können, dass dort nicht mehr Armut und Hunger herrschen. "Da erwarte ich, dass es da definitiv keine Rückschläge geben wird. " ist sich Stefan Heißner überzeugt.

Autor: Zhang Danhong

Redaktion: Rolf Wenkel