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KP schwört China auf Hightech-Zukunft ein

Thomas Kohlmann
10. März 2021

Chinas Parteiführung will mit aller Gewalt das Land an die technologische Weltspitze führen. Kosten spielen keine Rolle, nur der Wille Pekings zählt, auch in den Unternehmen. Den Handelspartnern stehen raue Zeiten bevor.

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China Peking | Eröffnung Jahrestagung Volkskongress |  Li Keqiang
Bild: Andy Wong/AP Photo/picture alliance

Das Reich der Mitte soll zum dominanten Akteur auf der globalen Hightech-Bühne werden - und zwar so schnell wie möglich. Das ist schon seit Jahren das erklärte Ziel der Entscheider in Peking. Und nach den Erfahrungen des Handelskonflikts mit den USA unter Donald Trump drückt die Führung der Kommunistischen Partei Chinas noch mehr aufs Tempo. Sie will das Land unabhängiger von Zulieferern aus dem Westen machen und im eigenen Land die Rahmenbedingungen für den Aufstieg zur ökonomischen Supermacht schaffen.

In seinem Rechenschaftsbericht vor dem Nationalen Volkskongress in Peking betonte Premierminister Li Keiquiang (Artikelbild), die Staats-und Parteiführung wolle "die neue Entwicklungsphilosophie in vollem Umfang anwenden und unsere Bemühungen zur Schaffung eines neuen Entwicklungsmusters beschleunigen, um eine qualitativ hochwertige Entwicklung zu fördern."

Hinter der Parteiprosa verbergen sich die Eckpfeiler von Xi Jinpings Industriepolitik: Der massive Ausbau von digitaler Infrastruktur, E-Mobilität, und anderen entscheidenden Zukunftstechnologien. Der neue Fünfjahresplan für die Jahre bis 2025 sieht milliardenschwere Investitionen in Künstliche Intelligenz, Quanten-Informationstechnologie, Medizin, Gen- und Biotechnologie sowie klinische Medizin und Gesundheit vor. Die Erforschung des Weltraums, der Tiefsee und der Polargebiete stehen ebenfalls auf der To-Do-Liste des Führungszirkels um Xi Jinping, um die umfassenden Machtansprüche Pekings zu unterstreichen.

Ein Leitgedanke prägt den ehrgeizigen Plan der staatlichen Wirtschaftslenker: In allen lukrativen Zukunftsbranchen soll das Reich der Mitte den Takt angeben und so schnell wie möglich unabhängig von Know-how und Zulieferungen aus dem Ausland werden. Im nächsten Schritt, wenn chinesische Unternehmen weltmarktfähige Produkte in Top-Qualität herstellen können, sollen dann chinesische Konzerne die Welt beliefern und internationale Standards setzen.

Strategie für ein chinesisches Zeitalter

"Zwei Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch den gesamten Fünfjahresplan", erklärt Markus Herrmann von der Berliner Beratungsfirma Sinolytics im Handelsblatt: "Das Streben nach mehr technologischer und wirtschaftlicher Eigenständigkeit und das Thema Digitalisierung."

Um unabhängiger vom Ausland zu werden, setzt China auf das Konzept der "Zwei Kreisläufe".  An erster Stelle steht dabei mit dem "inneren Kreislauf" die Weiterentwicklung Chinas. Hightech-Importe sollen möglichst schnell durch in China produzierte Komponenten ersetzt werden. Als Zwischenschritt können auch Produkte ausländischer Anbieter, die in China produzieren, zugekauft werden. Im letzten Schritt der Strategie Pekings werden aber auch diese ausländischen Partner überflüssig und durch chinesische Unternehmen ersetzt - und zwar nicht nur auf dem chinesischen Markt, sondern auch im "äußeren Kreislauf", einem nach den Spielregeln Pekings neu geordneten Weltmarkt.

China Wengchang Radaranlage Raumfahrt
Chinas Griff nach den Sternen: Seegestützte Radaranlage zur Überwachung von Weltraum-MissionenBild: picture-alliance/Photoshot/L. Shiping

Zwei Kreisläufe - dominiert von China

"Sollte China tatsächlich Ernst machen, müssen sich vor allem viele deutsche Mittelständler Sorgen machen", erklärt Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln die Folgen der neuen Strategie aus Peking.

"China will sich weniger erpressbar durch die USA machen. Deswegen will es weniger Abhängigkeit und damit weniger Importe. Doch damit schadet das Land nicht nur den USA, sondern insbesondere Deutschland", wird der Ökonom in der Zeitung Welt zitiert.

Matthes warnt deutsche Unternehmen, die in der Volksrepublik produzieren, davor, sich in Sicherheit zu wiegen. "Es kann durch die Pläne im neuen Fünfjahresplan dazu kommen, dass man dort vielleicht fünf Jahre noch gute Geschäfte macht und dann rausgedrängt wird, wenn deutsches Know-how nicht mehr gebraucht wird", so Matthes. Nur mächtige Großkonzerne könnten sich dann noch etwas besser gegen die neue Marschrichtung Pekings behaupten als Mittelständler.

Bei den großen deutschen Konzernen weiß man, wie abhängig man vom chinesischen Markt geworden ist. Gerade 2020 profitierten Daimler oder BASF von der raschen Eindämmung der Corona-Pandemie und der hohen Nachfrage nach deutschen Produkten. Nach Zahlen der Unternehmensberatung EY lag der Anteil des China-Geschäfts im vergangenen Jahr beim Chiphersteller Infineon bei 29,1 Prozent, beim Pharmaunternehmen Merck bei 14,4 Prozent und bei Siemens bei 12,7 Prozent. Beim Firmen wie dem Chemiekonzern Covestro, der sein Geschäft mit der Volksrepublik nicht gesondert ausweist, liegt der Anteil der Asien-Pazifik-Region mit dem Schwergewicht China bei rund einem Drittel. Auf einen ähnlich hohen Wert kommt auch der Sportartikelhersteller Adidas oder der Nivea- und Leukoplast-Produzent Beiersdorf.

China Peking Huawei Geschäft
Leidet besonders stark unter dem US-Lieferembargo für Chips: Chinas Vorzeigeunternehmen Huawei Bild: picture-alliance/AP Photo/N. H. Guan

Chinas entscheidende Schwäche: Chips

Die größte Hürde für den Aufstieg Chinas zur Hightech-Supermacht bleibt aber die Abhängigkeit von ausländischen Chip-Importen. 2018 dominierten die USA die Halbleiter-Branche mit einem Weltmarktanteil von 45 Prozent. Nach den Zahlen der amerikanischen Semiconductor Industry Association (SIA) folgte mit 24 Prozent Südkorea. Japan und Europa rangierten deutlich dahinter mit einem Weltmarktanteil von jeweils neun Prozent. China kam 2018 auf gerade etwas mehr als die Hälfte und landete mit fünf Prozent abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Um eine eigenständige Halbleiter-Branche von Weltrang aufzubauen, fehlt aber nicht nur Know-how, sondern auch der Zugriff auf die Basis-Technologie für die Chip-Herstellung. Und dort zählt Deutschland mit Unternehmen wie Aixtron oder Trumpf - noch - zu den globalen Technologieführern.

2016 war der Verkauf des Chipanlagenbauers Aixtron, der in einzelnen Bereichen fast 50 Prozent des Weltmarktes kontrolliert, an eine chinesische Investorengruppe nach einem Veto des damaligen US-Präsidenten Barack Obama gescheitert. Offizielle Begründung: Gefährdung der nationalen Sicherheit der USA. Denn mit den Aixtron-Anlagen können High-End-Chips hergestellt werden, die in der US-Rüstungsindustrie verwendet werden.