Nicht alle in der internationalen Staatengemeinschaft sind glücklich mit der Ausrufung eines eigenen Staates im Kosovo. Aber auch Völkerrechtler sind durchaus skeptisch - ob der Widersprüche, die sich daraus ergeben.
Unabhängigkeit ist mehr als nur eine eigene Fahne
Besondere Ausgangslage: Taiwan
Im Fall Chinas müsse man die besondere Ausgangslage in Betracht ziehen, meint Prof. Bothe. Auch hier könne man die Frage der internationalen Anerkennung nicht loslösen von den Rechtsbehauptungen der beiden Seiten und dies habe das Problem verkompliziert: "Der Ausgangspunkt war die 'Ein-China-Theorie‘, die von beiden Seiten vertreten wurde. Dass es nur ein China gibt und dass man jeweils die einzig legitime Regierung dieses Landes ist. Das war lange auch die Position der Regierung Taiwans“. Im Fall Taiwans habe es sich eher um die Entscheidung zwischen der einen und der anderen Regierung gehandelt, nicht der zwischen dem einen Staat und einem anderen. Und so gesehen, sei die Entscheidung der Vereinten Nationen Ende der 1960er Jahre konsequent gewesen: Nicht mehr die Regierung Taiwans, sondern Peking als Vertretung Chinas anzuerkennen. Ein Fall von Sezession liege hier nicht vor. Das wäre bestenfalls dann der Fall, wenn Taiwan jeden Anspruch auf das chinesische Festland endgültig fallen ließe und sich mit dem eigenen Territorium begnügte. Und solange dies nicht geschehe, sei und bleibe Taiwan ein Sonderfall. Diskussion um verfrühte Anerkennung Bothe stellt dabei nicht in Abrede, dass die Haltung gegenüber Taiwan sicher auch durch politische und wirtschaftliche Rücksichten gegenüber der Volksrepublik China beeinflusst wird: "Solche Anerkennung ist nicht einfach wie wenn ein Gericht entscheidet: So ist es. Sondern das ist eine Erklärung, die auch durch politische Motive bestimmt ist. Das war schon immer so." Deswegen habe es auch immer wieder Streit gegeben. Zum Beispiel darum, ob eine solche Anerkennung nicht vielleicht zu früh kam. Nämlich noch bevor sich auf dem neuen Staatsgebiet eine wirkliche staatliche Autorität etabliert hatte. So sei einst die deutsche Anerkennung Kroatiens heftig diskutiert worden, aber das sei ja inzwischen "Schnee von gestern“. Ermutigung zur Nachahmung?
Sezessionsbestrebungen gibt es auch in Nordzypern
Ob der "Fall Kosovo“ nun Ermutigung zur Nachahmung in anderen Gegenden sei, hänge sehr von den jeweiligen Gegebenheiten ab, meint Prof. Bothe. Den Vorschlag eines palästinensischen Ministers, ebenso vorzugehen, hält Bothe jedenfalls für falsch, weil verfrüht. Hier würde es sich auch nicht um Abspaltung handeln, solches sei viel eher der Fall im türkischen Nordzypern oder es könne im Baskenland drohen, vielleicht sogar in Katalonien. Deswegen kämen von da ja auch die Haupteinwände gegen die Unabhängigkeit des Kosovo.
Die internationale Gemeinschaft behelfe sich mit dem Argument, das Kosovo sei ein Sonderfall, solch ein Argument könnte aber jeder für sich vorbringen und deswegen seien nun "Tür und Tor geöffnet“ für Nachahmer. Man habe sich hier in eine Sackgasse begeben und müsse versuchen, hier wieder herauszukommen. Etwa über eine engere Einbindung auch Serbiens in die EU: Wenn es den Menschen erst einmal besser gehe, dann würden sie sich vielleicht auch eher mit den Dingen abfinden. Zunächst aber werde man den jetzt erzeugten "Schutt wegräumen müssen“.