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Korruption in Russland auf dem Vormarsch

25. August 2005

Laut einem Bericht der russischen Stiftung Informatik für Demokratie, INDEM, ist die Summe der Schmiergelder in Russland seit 2001 um das Vierfache gestiegen. Fokus Ost-Südost mit Beispielen aus verschiedenen Regionen.

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Alles nur eine Frage des Geldes?Bild: AP

DW-RADIO sprach mit dem Leiter der russischen Stiftung INDEM, Georgij Satarow.

DW-RADIO/Russisch: Herr Satarow, russische Beamte stecken dem Bericht ihrer Stiftung zufolge jährlich Schmiergelder in Höhe von mehr als 300 Milliarden Dollar ein. Das ist mehr Geld, als der Staatshaushalt Russlands aufweist. Was sind die schlimmsten Beispiele für Korruption in der russischen Geschäftswelt?

Georgij Satarow: Bei der Korruption gibt es mindestens zwei Seiten - derjenige, der gibt, und derjenige, der nimmt. Eines der schlimmsten Beispiele für Korruption ist ein Schmuggelfall, der vom russischen Geheimdienst gedeckt wurde. Das Ausmaß des Schmuggels erreichte jährlich Hunderte von Waggons mit gefälschter Markenware aus China, was dem Staatshaushalt Schaden in Milliardenhöhe verursachte. Es gibt viele solcher Beispiele.

Was sind die typischsten Fälle von Korruption?

Das sind zweifelsohne die Kontrollen. Etwa 40 Prozent aller Korruptionsfälle entfallen auf nichtfiskalische Kontrollorgane, wie die Brandschutz-Inspektion und das Gesundheitsamt, die systematisch ihr Geschäft im ganzen Land entfalten und kleine und mittlere Unternehmer unter Druck setzen. Ein nicht weniger schwerwiegendes Problem vor allem für Kleinunternehmer sind die Gewerbeflächen und die Miet- und Eigentumsverhältnisse. Es gibt keinen normalen Immobilienmarkt, aber eine gewaltige Korruption. Tatsächlich wird nur ein geringer Anteil offiziell gezahlt, das meiste fließt über Korruption schwarz in die Taschen.

Stimmt es, dass sich die Russen in Gegner und Befürworter von Bestechung aufgeteilt haben?

Erstens kann man nicht sagen, dass sie sich aufgeteilt haben. Es gibt nicht viele Menschen, die offen für Korruption eintreten. Im Prinzip verurteilt die überwältigende Mehrheit der Bürger die Korruption, aber das Problem ist, dass trotzdem die Bürger die Korruption nicht als eines der Hauptprobleme des Landes betrachten. Die Korruption steht an neunter oder zehnter Stelle der Problemliste. Ganz oben stehen die Arbeitslosigkeit, die geringen Löhne, die Preissteigerung, die Sicherheit, Tschetschenien. Die Korruption wird als Problem des Landes unterschätzt.

Welche Rolle spielen dabei ausländische Geschäftsleute? Versuchen sie die Spielregeln in Russland zu bekämpfen oder passen sie sich ihnen an?

Sie reagieren üblicherweise auf Korruption damit, dass sie ihre Geschäfte beenden. Ich kann ein konkretes Beispiel nennen. Ich sprach mit einem leitenden Vertreter eines internationalen Unternehmens, das eine Ausschreibung in Russland gewonnen hatte. Der Wettbewerb wurde absolut ehrlich durchgeführt. Aber nachdem das Unternehmen ihn gewonnen hatte, wurden Vertreter des Unternehmens in einem Amtstübchen aufgefordert, Geld zu zahlen, worauf die Vertreter fragen, wie viel. Man schrieb ihnen die Zahl auf einem Blatt Papier auf. Nachdem sie die Summe gesehen hatten, lehnten sie den Vertrag ab. Damit beendeten sie ihre Geschäfte in Russland.

Das Gespräch führte Gleb Gavrik

DW-RADIO/Russisch, 22.8.2005, Fokus Ost-Südost