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Korruption im Lande Arafats?

Mahmoud Tawfik und Abed Othman22. Februar 2004

Haben Palästinenser mit illegalen Zementlieferungen an Israel am Bau der umstrittenen Sicherheitsmauer mitgewirkt? "Gut möglich", sagen Nahost-Kenner, die seit langem über Korruption in der Palästinenser-Führung klagen.

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Israelische Mauer - palästinensischer Zement?Bild: AP

Im Februar 2004 machten sich Mitglieder eines palästinensischen Parlamentsausschusses auf den Weg in die ägyptische Hauptstadt Kairo, um in Sachen dubioser Zementlieferungen an Israel Nachforschungen zu betreiben. Besagter Zement soll seinen Weg von ägyptischen Herstellern über palästinensische Baustoffunternehmen bis nach Israel gefunden haben. Dort soll der Zement möglicherweise zum Bau der umstrittenen israelischen Sicherheitsmauer verwendet worden sein.

Amoklauf

Der Präsident des Parlamentsausschusses, Hassan Chreische, schätzt die Lage als äußerst heikel ein: "Die Situation ist gefährlich, sehr gefährlich", sagt Chreische. "In einer Zeit, in der die ganze Welt uns in unserer Ablehnung des Grenzzaunes unterstützt, laufen einige Amok und exportieren diesen Zement. Wir wissen bis jetzt noch nicht, ob er für den Bau der Grenzmauer verwendet wurde oder zu einem anderen Zweck."

Schon vor einigen Monaten hatten palästinensische Parlamentsabgeordnete Verdacht geschöpft, Vorwürfe illegitimer Kooperation mit Israel richteten sich gegen hochrangige Mitglieder der palästinensischen Autonomiebehörde. Auch Kabinettsmitglied Dschamil Tarifi soll beteiligt gewesen sein. Seine Familie besitzt eine Zementfabrik in der palästinensischen Stadt Ramallah.

Kureia verdächtigt

Ahmed Kureia
Ahmed KureiaBild: AP

Neu ist, dass nach Berichten des israelischen Fernsehsenders "Kanal 10" auch der zweitwichtigste Repräsentant der palästinensischen Regierung, Ministerpräsident Ahmed Kureia, an diesem Zementhandel beteiligt gewesen sein soll. Seiner Familie gehören einige Zementfabriken, die der Ministerpräsident nach Informationen des Senders aber erst vor kurzer Zeit auf die Namen einiger Verwandten umgeschrieben haben soll.

Kureia dementiert freilich alle Vorwürfe, und auch die Untersuchungskommission auf ihrem Weg nach Kairo stritt ab, dass sie den Ministerpräsidenten als Verdächtigen betrachte. "Der Name des Ministerpräsidenten ist in unseren Untersuchungen niemals aufgetaucht", sagt Chreische. "Ich glaube, dass Israel den Zeitpunkt bewusst ausgewählt hat. Um eine Botschaft an die Europäer zu richten, zu einem Zeitpunkt, zu dem Kureia in Europa Unterstützung für das palästinensische Volk gegen den Grenzzaun einholen möchte, da kommt der israelische Sender mit diesen Informationen."

Etwas ist faul

Bislang werden die Anschuldigungen gegen den palästinensischen Premier nur von dem israelischen Fernsehsender "Kanal 10" erhoben. Dieser belegt seine Berichte mit angeblich authentischen Aufnahmen der palästinensisch-israelischen Zementlieferungen.

Aber auch abgesehen von der palästinensisch-ägyptisch-israelischen "Zement-Connection" steht eines fest: Etwas ist faul in palästinensischen Führungskreisen, und das schon seit langem. Jüngstes Beispiel: Die höchst dubiosen finanziellen Verhältnisse von Soha Arafat, der Gattin des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat, derzeit wohnhaft in Paris. Dort ist die Justiz der Herkunft von insgesamt neun Millionen Euro auf der Spur, die auf Konten der Präsidentenfrau in den vergangenen eineinhalb Jahre verbucht wurden.

Klüngel

Der Klüngel innerhalb der palästinensischen Autonomiebehörde ist mittlerweile so weit gediehen, dass er vielen palästinensischen Menschenrechtlern und Parlamentariern keine Ruhe lässt, so auch Ausschusspräsident Chreische nicht: "Die Entscheidungen, die das Parlament im Zuge des Kampfes gegen Korruption gefällt hat, müssten für die palästinensische Autonomiebehörde bindend sein. Aber sie kehrt diesen Entscheidungen wie gewohnt den Rücken zu. Für die Autonomiebehörde liegt die Macht der Entscheidung nicht im Parlament, sondern sie liegt in diesem totalitären System allein in der Hand der Autonomiebehörde."

Vor diesem Hintergrund ist auch der Austritt von rund 300 Mitgliedern aus der Arafat-Partei Fatah zu verstehen. Werden diese von ihrer Führung Enttäuschten neue Verbündete und Wege suchen, um auf friedlichem Wege Reformen und Veränderungen in der Region herbeizuführen? Oder werden sie, wie schon viele vor ihnen, eine neue Bruderschaft mit militanten Islamisten eingehen? Wichtige Fragen für die weitere Entwicklung im Nahen Osten.