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Konzeptlose Kandidaten

Steffen Leidel26. April 2003

Argentiniens Präsidentschaftswahlen am 27. April stehen im Zeichen der Krise. Dem Land geht es wirtschaftlich schlecht, viele Menschen sind verarmt. Die Präsidentschaftskandidaten haben dagegen keine Rezepte.

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Argentiniens Wirtschaft ist am Boden, die Wähler sind ratlosBild: AP

Das einst reichste Land Lateinamerikas liegt weiter am Boden. Knapp eineinhalb Jahre nach Erklärung seiner Zahlungsunfähigkeit ist der Schuldenberg Argentiniens sogar noch gewachsen, auf über 150 Milliarden Dollar. Gewachsen ist auch die Zahl der Armen. In einigen Teilen des Landes herrschen Verhältnisse wie in der so genannten Dritten Welt. Nicht-Regierungsorganisationen zu Folge sterben täglich mehr als 25 Kinder unter fünf Jahren an den Folgen von Unterernährung.

"Frustrierend" nennt Peter Birle vom Ibero-Amerikanischen Institut seinen Eindruck von der einst so lebenshungrigen Hauptstadt Buenos Aires. "An vielen Stellen in der Stadt sieht man jetzt Cartoneros", sagt Birle zu DW-WORLD, der kürzlich in Argentinien war, "früher hat es die in Buenos Aires nicht gegeben". "Cartoneros" werden die Menschen genannt, die abends die Mülltüten auf der Straße nach Verwertbarem durchwühlen. Trotzdem sieht Birle einen kleinen Lichtblick: Die wirtschaftliche Lage habe sich insgesamt etwas beruhigt.

Versprechungen nicht erfüllt

Eduardo Duhalde - Argentinien
Eduardo Duhalde tritt nicht mehr anBild: AP

Das sei zum Teil der Politik des peronistischen Übergangspräsidenten Eduardo Duhalde zu verdanken, glaubt Rainer Schweickert vom Kieler Institut für Weltwirtschaft im Gespräch mit DW-WORLD. "Er hat durch seine restriktive Geldpolitik zumindest ein gewisse Stabilisierung erreicht", so Schweickert. Die befürchtete Hyperinflation blieb aus. Doch viel mehr Positives findet sich nicht in der Amtsbilanz Duhaldes. Für soziale Gerechtigkeit habe er nicht sorgen können, Institutionen wie Gerichte oder Schulen seien stark geschwächt, so der Experte aus Kiel. Noch immer hängt Argentinien am Tropf des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der hatte im Januar erst nach langem Zögern einen Kredit von 307 Millionen Dollar zur Auszahlung freigegeben. "Man hatte den Eindruck, der IWF will an Argentinien ein Exempel für seinen harten Kurs statuieren", meint Schweickert.

Duhalde hatte nach seinem Amtsantritt im Januar 2002 die 1:1-Bindung des Peso vom Dollar abgekoppelt, was den Absturz der argentinischen Währung auslöste. Dollar-Guthaben wurden in Peso-Werte umgewandelt. Die Sparguthaben verloren so bis zu 30 Prozent an Wert. Diese Umwandlung wurde im März von einem Gericht für verfassungswidrig erklärt. Tausende Sparer jubelten und hoffen seitdem ihr verlorenes Guthaben wieder zu bekommen. Doch wer soll für die "Redollarisierung" aufkommen? Überall steht Argentinien in der Kreide. Im Ausland stehen vor allem private Anleger Schlange und verklagen das Land auf Rückzahlung. Allein aus Deutschland flossen sieben Milliarden Dollar nach Argentinien.

Schulden drücken

"Die Umschuldungsverhandlungen mit den Gläubigern werden entscheidend sein für die Zukunft des Landes", sagt Schweickert. Duhalde strebt eine Reduzierung der Schuldensumme um mindestens 70 Prozent an. Von den ausländischen Gläubigern wird dies als Provokation angesehen. Doch über den endgültigen Kapitalabschlag wird wohl erst die neue Regierung entscheiden.

Schweickert rechnet mit dem Sieg eines der drei peronistischen Kandidaten. "Der Peronismus hat immer noch die stärkste Wählerbindung". Die peronistische Partei ist nach dem ehemaligen Staatschef Juan Domingo Peron benannt, der in den vierziger Jahren mit seiner Frau Evita höchst populär war. Und das, obwohl die Kandidaten untereinander heillos zerstritten sind. Der Wunschkandidat Duhaldes ist Néstor Kirchner, Gouverneur der patagonischen Provinz Santa Cruz. Ihm räumt Birle die meisten Chancen ein. Doch auch Duhaldes Erzrivale, der zweimalige Präsident Argentiniens Carlos Menem, wird erneut kandidieren. Viele Argentinier geben Menem – der die Bindung des Peso an den Dollar durchsetzte - die Schuld am Absturz des Landes. "Menem hat aber immer noch viele Stammwähler", so Birle. Der dritte Kandidat ist Adolfo Rodriguéz Saá, Ex-Gouverneur der Provinz San Luis.

Keine Rezepte für die Krise

Die Bewerber aus der ebenfalls gespaltenen Traditionspartei Radikale Bürgerunion, die linksgerichtete Kandidatin Elisa "Lilita" Carrió, die sich einen Namen in der Korruptionsbekämpfung gemacht hat, und der ehemalige Wirtschafts- und Verteidigungsminister Ricardo López Murphy haben nur Außenseiterchancen. Rezepte zur Lösung der Wirtschaftskrise habe aber keiner der Kandidaten vorgelegt, sagt Birle. "Es ist unklar, wer für was steht". Eine Entscheidung im ersten Wahlgang am 27. April wird nicht erwartet. Nach Ansicht der Experten wird erst nach der Stichwahl am 18. Mai feststehen, wer der neue Präsident Argentiniens sein wird.