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Gesellschaft

Konsumfieber im Iran

Shabnam von Hein
21. Juli 2019

Trotz US-Sanktionen lebt eine kleine Schicht wohlhabender Iraner im Luxus. Ihre Kinder tragen US-Markenklamotten und protzen in sozialen Netzwerken. Millionen Iraner kaufen gefälschte Waren, um sie nachzuahmen.

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Iran Spazierfahrt
Bild: The Rich Kids of Tehran

Der große Basar von Teheran gilt als das Herz der iranischen Wirtschaft. In einem Teil des Marktes werden Stoffe nach Gewicht verkauft. Hier gehen kiloweise gefälschte Stoffabzeichen bekannter und teurer westlicher Luxusmarken über den Tisch: Louis Vuitton, Gucci, Chanel, Lee, Nike und Co. Die Nachfrage nach gefälschtem Glamour ist groß.

In der Nike-Filiale im Sana Shopping Center im Norden Teherans liegt die echte Ware aus. "Wir beziehen unsere Waren direkt aus dem Ausland, zum Beispiel aus Dubai", sagt der junge Verkäufer Mehdi im Telefongespräch mit der DW aus Teheran. Seine Kundschaft sei anspruchsvoll und könne sich ihre Ansprüche auch leisten. "Unsere Kunden reisen um die Welt und erkennen die echten Waren mit einem Blick", sagt Mehdi.

Westliche Original-Produkte für Privilegierte

Das Sana Shopping Center ist eines von mehreren neu gebauten Einkaufszentren im Norden Teherans. Hier, an den Ausläufern des Elburs-Gebirges, gab es früher Gärten und Obsthaine. Könige hatten hier ihre Paläste. Heute leben hier Funktionäre und Politiker der islamischen Revolution. Ihre Nachbarn sind oft reiche Geschäftsleute, die zum großen Teil ein gutes Verhältnis zu den Mächtigen haben. Es ist kein Geheimnis, dass Irans Wirtschaft  unter Korruption und Vetternwirtschaft leidet.

Screenshot des Instagram-Accounts "Rich Kids of Tehran
Instagram-Account "Rich Kids of Tehran": Teure Luxusklamotten in noblen VillenBild: Instagram/rich.kids.of.tehrann

Trotz Sanktionen findet diese Klientel hier alles, was für Geld zu kaufen ist, auch originale Produkte "Made in USA". Zum Beispiel Rucksäcke von Nike: "So einer kostet umgerechnet 68 Euro", sagt Verkäufer Mehdi. "Die verkaufen sich momentan sehr gut. Viele Teenager lieben das".

68 Euro sind ein kleines Vermögen im Iran. Das Durchschnittseinkommen liegt bei 400 Euro im Monat. Aber nur wenn man den offiziellen subventionierten Umtauschkurs verwendet. Der liegt bei circa 48.000 Rial für einen Euro. Diesen Kurs bekommt man aber nur, wenn man zu Beispiel Geld für den Kauf von Medikamenten wechseln muss. Auf dem freien Markt bekommt man nur ein Drittel davon: Da muss man für einen Euro 145.000 Rial bezahlen. Für die meisten sind Importprodukte damit unbezahlbar geworden.

Konsum inmitten der Wirtschaftskrise

Das Land steckt seit mehr als einem Jahr in einer Wirtschaftskrise. Im Mai 2018 Jahr hatte US-Präsident Donald Trump das Atomabkommen mit dem Iran einseitig aufgekündigt, eine Kampagne "maximalen Drucks" gestartet und das Land mit Sanktionen überzogen. In der Folge verlor hat der Rial dramatisch an Wert. Die Inflation ist massiv gestiegen. Manche Wirtschaftsexperten schätzen, dass die Kaufkraft der Iraner in den letzten Monaten um 80 Prozent gesunken ist.

Screenshot der Internetseite des Sana Shopping Centers in Teheran
Internet-Auftritt des Sana Shopping Centers: Anspruchsvolle KundschaftBild: sanashoppingcenter.com

Wie die Kundschaft des "Sana Shopping Center" zeigt, trifft die Krise nicht alle gleich hart. "Ich liebe Qualität und ich gebe gerne dafür Geld aus", sagt Saba. Sie ist Anfang 30 und mit einem Geschäftsmann verheiratet. Was ihr Mann beruflich genau macht, möchte sie nicht sagen.

Das Paar lebt sie in einem Penthaus im nördlichen Teheraner Stadtteil Elahieh. Die Wohnungen hier kosten bis zu 4000 Euro pro Quadratmeter. "Wie meine Freundinnen kaufe ich eher im Ausland, wenn ich im Urlaub bin", berichtet Saba. Sie kaufe nicht viel, aber sie habe Freundinnen, die immer die neueste Mode aus Paris oder Italien tragen. "Ihre Männer verdienen in Euro oder Dollar. Wer sein Geld in Rial bekommt, kann sich solche Sachen natürlich nicht leisten".

Sogar der Urenkel von Ayatollah Khomeini, des politischen und religiösen Führers der Islamischen Revolution von 1979, trägt US-Marken. Vergangenes Jahr sorgte ein Foto von Ahmad Khomeini für heftige Kritik. Es zeigte den 21-jährigen Geistlichen mit modischer Sonnenbrille und Nike-Sweatshirt neben einer jungen Frau mit einem Reithelm in einem Reitclub. Sein Urgroßvater war Führer einer Revolution, die den Armen und Benachteiligten ein besseres Leben versprochen hatte. Gerade die aber stöhnen nun unter der Last der US-Sanktionen.

Wachsende Ungleichheit

Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. Von den 81 Millionen Iranern gelten zwei Millionen, also rund 2,5 Prozent, als einkommensstark. Eine vierköpfige Familie in dieser Kategorie hat ungerechnet mindestens 1300 Euro im Monat zu Verfügung, laut Statistiken, die vor der Wirtschaftskrise im Iran veröffentlicht wurden.

Eine noch dünnere Schicht sind die Reichen, die ihre Einkünfte in Dollar und Euro beziehen. Sie verstecken ihren Wohlstand nicht. Vor allem in sozialen Netzwerken wird gerne geprotzt. Der Instagram-Account "Rich Kids of Tehran" hat 146.000 Follower. Zu sehen sind Bilder von schönen und reichen jungen Menschen in teuren Luxusklamotten in noblen Villen. Ihr Lebensstil ist der Traum vieler junge Iraner. Aber die allermeisten können sich nur die gefälschten Logos leisten oder damit bestickte Kleidung, die vom großen Basar von Teheran aus ins ganze Land geliefert werden.