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Kompromiss rettet Scharon

6. Juni 2004

Das israelische Kabinett hat am Sonntag (6.6.2004) nach erbittertem Streit einem abgespecktem Rückzugs-Plan für die besetzten Gebiete zugestimmt. Scharons Regierung dürfte damit zunächst gerettet sein.

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Mehrheiten zu finden, ist für Scharon nicht einfachBild: AP


“Die Regierung hat heute beschlossen, dass Israel bis Ende 2005 aus dem Gazastreifen und vier Siedlungen im Westjordanland abgezogen sein wird“, sagte Scharon nach der mühsam herbeigeführten Entscheidung. Dies sei eine eindeutige Botschaft an das Volk Israel, die palästinensischen Nachbarn und die ganze Welt. Die Einigung konnte nur mühsam erzielt werden. Nach stundenlanger Sitzung hatte es kurz vor der Abstimmung eine Einigung auf einen Kompromiss gegeben.

Räumung verzögert sich nach Kompromiss

Dieser Kompromiss bedeutet de facto, dass die tatsächliche Räumung jüdischer Siedlungen zunächst für mindestens neun Monate aufgeschoben ist. Der Kompromiss sieht die Räumung aller 21 jüdischen Siedlungen im Gaza-Streifen sowie die Auflösung von vier der 120 Siedlungen im Westjordanland bis Ende 2005 vor. Der nun gefasste Beschluss ermächtigt die Regierung, mit der Vorbereitung für den Abbau von Siedlungen zu beginnen. Beigeheftet wurde jedoch eine Erklärung, in der festgehalten wird, dass dies noch keine Zustimmung zur tatsächlichen Aufgabe von Siedlungen bedeute.

Eines der größten Zugeständnisse Scharons an seine regierungsinternen Kritiker ist, dass das Kabinett über jede einzelne der vier geplanten Rückzugsstufen aus den Gebieten erst noch abstimmen muss. Damit könnten die ultra-konservativen Minister den Rückzug immer noch blockieren. Israel soll zudem einen Teil des besetzten Gebietes im Westjordanland für immer behalten. Dennoch zeigte sich Scharon überzeugt, dass die “Loslösung vom Gazastreifen“ begonnen habe. Im Rahmen seines Kompromissvorschlags kündigte Scharon auch die Einrichtung eines Komitees an, das die finanzielle Unterstützung für die Siedlungen im Gazastreifen prüfen soll. Zuvor hatte Scharon eine weitere Finanzierung der Siedlungen als absurd abgelehnt.

Knappe Zustimmung

In dieser abgeschwächten Form haben 14 der 21 Minister für das Vorhaben gestimmt. Zuvor hatte Scharon jedoch zwei ultra-rechte Minister der Nationalen Union entlassen müssen, um eine Mehrheit für seinen Plan zu sichern. Im Vorfeld der Kabinettsentscheidung hatte es daraufhin mehrere Klagen gegen die Entlassungen gegeben, die das Oberste Gericht jedoch alle ablehnte.

Die Nationalreligiöse Partei (NRP) hat mit einem Ende des Regierungs-Bündnisses gedroht, sollte die Aufgabe von Siedlungen beschlossen werden. Ohne die Nationalreligiöse Partei verfügt die Koalition Scharons nur über 55 der 120 Parlamentssitze. Doch auch in seiner eigenen Partei spürt Scharon Gegenwind. Sein Rückzugsvorhaben, das in der Bevölkerung große Unterstützung genießt, wurde Anfang Mai in einem parteiinternen Referendum von seinem Likud-Block abgelehnt. Scharon ist jedoch bemüht, eine Spaltung der Likud-Partei zu verhindern, in der Finanzminister Benjamin Netanjahu der Wortführer der Abzugs-Gegner ist.

Autonomiebehörde skeptisch

Die palästinensische Autonomiebehörde reagierte skeptisch auf die Entscheidung. “Wenn die israelische Regierung so lange gebraucht hat, einen so bruchstückhaften Plan anzunehmen, frage ich mich, wie lange die Umsetzung dauern wird“, sagte der palästinensische Kabinettsminister Sajeb Erakat. Der palästinensische Regierungschef Ahmed Kureia betonte, die Palästinenser würden einen israelischen Abzug begrüßen, sofern er “vollständig und umfassend“ sei und die Aufgabe aller Siedlungen beinhalte.

Die israelische Opposition sprach von einer Kapitulation Scharons, weil der ursprüngliche Räumungsplan aufgeweicht wurde. Ultra-rechte Politiker in Israel hingegen kritisierten die Abstimmung als eine der schwärzesten Entscheidungen in der Geschichte Israels. Einer der Minister, die gegen den Plan stimmten, kritisierte, dieser laufe trotz aller Kompromissformeln auf eine Aufgabe der Siedlungen hinaus. “Dies bedeutet die Vertreibung von tausenden von Bewohnern und die Schaffung eines Hamas-Terrorstaats“, sagte Bauminister Effie Eitam von der Nationalreligiösen Partei. (am)