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Wie viel Sport wollen wir uns leisten?

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber
1. Oktober 2016

Explodierende Kosten für Olympische Spiele, weitere Millionen für die Sportförderung und üppige Zuschüsse für Arenen und Sicherheit, alles auf Kosten der Öffentlichkeit. Das kann so nicht weitergehen, warnt Joscha Weber.

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Rio-Beachvolleyball-Olympiasiegerin Laura Ludwig schreit bei der Ankunft in Frankfurt am Main in die Kamera (Foto: picture-alliance/dpa/A. Arnold)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Arnold

Erfolgreicher Sport geht nur mit Geld. Das wissen wir seit der Antike. Damals entwickelte sich aus dem Amateursport erstmals ein Profitum. Staatsmann Solon (ca. 640-560 v. Chr.) brachte ein Gesetz ein, wonach jedem Olympiasieger 500 Drachmen zukamen - ein Jahresgehalt, womit man sich damals immerhin 500 Schafe hätte kaufen können. Hinzukamen weitere Privilegien: Steuerfreiheit, kostenlose Verpflegung und Geschenke wie Amphoren oder Silberbesteck. Manche Sportler wurden sogar ihr restliches Leben auf Staatskosten verpflegt. Die Wettkämpfe wurden so zahlreicher, das Niveau höher, die Aufmerksamkeit und Wertschätzung für die Athleten sowieso. Die erste Kommerzialisierung brachte den Sport also voran - und zugleich Kritik ein: Philosophen gingen hart mit den Athleten ins Gericht, die aus ihrer Sicht für den Erfolg ethische Normen missachteten und ihrer allgemeinen Bürgerpflicht zur Stützung des Gemeinwohls nicht nachkämen.

Wie sich die Diskussionen damals und heute doch gleichen. Der moderne Top-Athlet bekommt viel Anerkennung, in vielen Disziplinen auch gutes Geld, in machen sogar unermessliche Reichtümer. Und die Kritik daran ist nicht abgerissen. "Im Zeitalter seiner Kommerzialisierung und Globalisierung erlebt der Sport heute eine Phase des Booms. Doch nicht hin zu mehr Sportlichkeit geht die Entwicklung, sondern hin zum Schaukampf", urteilte Peter Sloterdijk. Auch er ist Philosoph, obendrein ein sportbegeisterter, und zugleich ein scharfer Kritiker. Muss man den Schaukampf Profisport also mit immer mehr Geld bewerfen?

Kein Sport um jeden Preis

Nein. Zumindest nicht mit öffentlichem Geld. Der moderne Leistungssport hat große Anziehungskraft auf Publikum und Sponsoren, nur einigen Sportarten mangelt es an privaten Geldspritzen. Warum also weitere Millionen Steuermittel hineinpumpen? Weil nahezu jedes Land dieser Welt den Sport als Leistungsschau für die ganze Nation begreift, als Metapher für die großartigen Fähigkeiten des eigenen Volkes. Und Letzteres bejubelt diese schließlich ausgelassen. Also alles gut?

Joscha Weber im Porträt (Foto: DW)
DW-Sportredakteur Joscha Weber: "Deutschland schöpft nicht alle Möglichkeiten der Sportförderung aus."

Leider nein, denn wenn nun beispielsweise die nächsten Olympischen Sommerspiele in Tokio 2020, wie von einer Expertenkommission prognostiziert, schwindelerregende 27 Milliarden Euro kosten könnten, wäre dies gesellschaftlich ein fatales Signal. Denn Japan drücken gewaltige Schulden. Die riesigen geplanten Arenen könnten später leer stehen, so die Kommission. Das kennen wir bereits. Nahezu jede Fußball-WM und fast alle Olympischen Spiele der jüngeren Vergangenheit haben jene "weiße Elefanten" produziert. Die Folge: Immer mehr Bewerberstädte wollen die Spiele gar nicht mehr, mancherorts wurde gar demonstriert. Tokio sollte also gewarnt sein: Die Menschen wollen Sport - aber nicht um jeden Preis.

Sportförderung anders denken

Warnungen gibt es dieser Tage auch in Deutschland. Mit der Reform der Sportförderung werde das Geld ungerechterweise immer mehr auf einige medaillenträchtige Sportarten verteilt, sagen Kritiker. "Potenzialorierentiert", heißt hier das Zauberwort. Deutschland versucht mit einer "effizienteren, zielgerichteteren" Leistungssportförderung den Anschluss an erfolgreichere Sportnationen wie die USA, China oder Großbritannien herzustellen. Dabei sind Nummer 1 und 2 aufgrund ihrer Größe und Mittel ohnehin außer Reichweite. Bei Nummer 3 ist das anders: Großbritannien ist eine Sportnation von vergleichbarer Größe, seit den Heim-Spielen von London 2012 aber auf einem neuen Level. Dies liegt an einem umfangreichen und in der Tat sehr zielgerichteten Förderprogramm, das größer ist als die deutsche Leistungssport-Unterstützung. Warum? Weil 75 Prozent des Geldes aus den Einnahmen einer Lotterie stammen, nur der Rest aus staatlichen Mitteln. Auch deshalb hat die sportliche Eliten-Förderung auf der Insel so einen breiten Rückhalt bei der Bevölkerung.

Dass die Sportnation Deutschland solche Möglichkeiten nach wie vor nicht ausschöpft, wirft ein schlechtes Licht auf den Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB) und das zuständige Bundesministerium für Inneres (BMI). Beide wollen und brauchen sportliche Erfolge. Beiden fällt dazu aber nicht wesentlich mehr ein, als weiter auf überwiegend Steuergelder zu setzen. Der falsche Weg. Eine lukrative Lotterie, mehr Sponsorengewinnung und warum nicht auch mal kreative Crowdfunding-Modelle würden die Öffentlichkeit entlasten und die Unterstützung erhöhen.

Das warnende Beispiel der Antike

Denn Letztere schwindet. Sportstarkult, Einschaltquotenrekorde und volle Arenen sollten nicht darüber hinwegtäuschen: Der Sport reizt die Geduld des Publikums momentan aus und geht bei Gewinnmaximierung und gleichzeitigem Ruf nach mehr öffentlichen Geldern an Grenzen der Vermittelbarkeit. Zumal die großen Sportverbände nach diversen Korruptionsskandalen ähnlich viel Glaubwürdigkeit genießen wie Mafiaorganisationen. Die dennoch immer noch große Unterstützung des Leistungssports durch die Bevölkerung kann in einer solchen Situation schnell schwinden, das lehrt auch die Vergangenheit. Als Ende des 4. Jahrhunderts nach Christus Korruption und Bereicherung seitens der Athleten überhand nahmen, verloren die Olympischen Spiele der Antike an Wert und Unterstützung und wurden schließlich verboten. So weit sollte es nicht noch einmal kommen.

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