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Kommentar: Bremen vor schicksalhaften Tagen

DW Kommentarbild Jörg Strohschein
Jörg Strohschein
13. Juni 2020

Der Sieg von Werder Bremen in Paderborn gibt den Hanseaten Hoffnung, die Bundesliga halten zu können. Falls das nicht gelingt, geht der Traditionsklub sehr schweren Zeiten entgegen, meint DW-Redakteur Jörg Strohschein.

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Deutschland Paderborn | Bundesliga | SC Paderborn 07 - SV Werder Bremen
Bild: Getty Images/ F. Vogel

Vermutlich hätte Florian Kohfeldt viel Geld dafür bezahlt, hätte er sich diesen Samstagnachmittag kaufen können. Das 5:1 von Werder Bremen beim SC Paderborn war für den Coach der Hanseaten mehr als ein Sieg im ersten von vier Endspielen um den Klassenerhalt. Kohfeldt hatte gesehen, dass "die Mannschaft den Druck aushalten kann", wie er sagte.

Es geht in Bremen um nicht weniger als alles in dieser bisher völlig verkorksten Saison. Als Europakal-Aspirant gestartet, haben die Bremer während dieser Saison so ziemlich alles vermissen lassen, was Werder eigentlich ausmachen sollte: Spielkultur, Offensivgeist und vor allem - positive Ergebnisse. Gerade einmal sieben Siege und sieben Unentschieden hat das Kohfeldt-Team bislang zustande gebracht. Und 17 Niederlagen kassiert.

Dass die Bremer tabellarisch so abgestürzt sind, hat zum einen personelle Gründe. Zweitweise war die halbe Stammmanschaft ausgefallen. Aber auch die Bremer Kassen sind schon seit längerer Zeit nicht mehr sonderlich gut gefüllt, was sich am Etat und der personellen Besetzung ablesen lässt. Von Spielern wie Ailton, Diego, Mesut Özil, um nur einige wenige ehemalige Bremer Stars zu nennen, können sie an der Weser nur noch träumen. Spieler wie Milot Rashica, Davy Klaasen oder Jiri Pavlenka sind die letzten verbliebenen überdurchschnittlichen Spieler, die sich mit einem Kader-Etat von 58 Millionen Euro finanzieren lassen.  

Hanseatische Kaufleute

Während der Corona-Krise und der Aussetzung der Bundesliga mussten die Bremer erstmals in ihrer Historie nach der Ausgliederung des Profifußballs einen Kredit aufnehmen - in zweistelliger Millionenhöhe. Verluste aufgrund ausgefallener Einnahmen von bis zu 40 Millionen Euro drohen ohnehin. Auch Werder soll einer der Bundesliga-Klubs gewesen sein, dessen Überleben besonders schwierig hätte werden können, wäre die Saison abgebrochen worden.

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Die Bremer gelten seit Zeiten des Managers Willi Lemke als solide wirtschaftende Kaufleute, die nie mehr ausgegeben haben, als sie eingenommen haben. Und die dennoch Meister- und Pokaltitel gewinnen konnten. Auch die aktuellen Bremer Verantwortlichen haben versucht, das finanzielle Risiko stets gering zu halten. Dadurch haben sie allerdings in dem völlig überhitzen (Fußball-) Markt nach und nach den Anschluss an das obere Tabellendrittel verloren. Und in einer Saison wie dieser, in der ziemlich viel schief geht, haben sie an der Weser nicht mehr die Grundsubstanz, um sich einigermaßen solide aus solchen Krisensituationen heraus zu manövrieren. Bei einem Abstieg in die 2. Bundesliga würden alleine durch ausbleibende TV-Einnahmen weitere tiefe Einschnitte folgen müssen. 

Umso mehr sorgt der Sieg der Bremer in Paderborn für Erleichterung. Noch drei Spiele (FC Bayern, Mainz 05, 1.FC Köln) und eine realistische Chance bleiben den Hanseaten, um noch den Sprung auf den rettenden 15. Tabellenplatz zu machen. Derzeit sind sie punktgleich mit Fortuna Düsseldorf auf Platz 16 (28 Punkte). Ein warnendes Beispiel haben sie ja direkt vor der Haustür - den Hamburger SV, der ja schon seit zwei Jahren mit allen verbliebenen Mitteln darum kämpft, irgendwie wieder in die Bundesliga zurück zu kommen. Dieses Schicksal können sie sich in Bremen noch ersparen.