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Politik

Wahlkampfgetöse mit bleibenden Schäden

Pargan Benjamin Kommentarbild App
Benjamin Pargan
26. September 2016

Das umstrittene Referendum im serbischen Teil Bosnien-Herzegowinas ist ein Verfassungsbruch und ein Rückschritt für die Region. Auch die internationale Gemeinschaft hat eine Niederlage erlitten, meint Benjamin Pargan.

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Referendum in RS
Bild: Klix.ba
Referendum in RS
Bild: Klix.ba

Am 2. Oktober finden in Bosnien-Herzegowina Kommunalwahlen statt. Und damit ist eigentlich alles erklärt. Denn vor allem im mehrheitlich von Serben bewohnten Landesteil "Republika Srpska" ist die wirtschaftliche und politische Lage katastrophal. Der Präsident dieser Entität, Milorad Dodik, und seine korrupte, unfähige und arrogante Politikerriege können keine Erfolge vorweisen. Viele Menschen dort leben in bitterer Armut, die Arbeitslosigkeit ist desaströs hoch, Infrastruktur kaum vorhanden und immer mehr junge Menschen wandern aus.

Um seine Wähler aus der Hoffnungslosigkeit zu befreien und sie in einen nationalen, kämpferischen und irrationalen Rauschzustand zu versetzen, griff er zu den altbewährten und zweifelsohne beliebtesten Mitteln der Populisten auf dem Balkan: Zuerst wird eine dramatische Bedrohung der eigenen Nation an die Wand gemalt. Dann werden die Nachbarvölker zu Feinden erklärt, was auf dem Balkan leider immer noch reibungslos funktioniert. Und zum Schluss wird der große Führer als Retter der bedrohten Nation inszeniert. Zu viele Wähler auf dem Balkan machen immer noch allzu gerne bei solchen Spielchen mit und vergessen in der Tat für eine paar Wochen ihren jämmerlichen Alltag - genauso wie die zahlreichen Korruptionsaffären der selbsternannten Retter der Nation. Diese Mechanismen haben in Bosnien-Herzegowina schon immer perfekt funktioniert, übrigens auch bei den anderen Volksgruppen des Landes.

Schwere Krise

Auch wenn das umstrittene Referendum in der Republika Srpska zu Recht als Wahlkampfgetöse und politisches Theater abgetan werden kann: Es ist und bleibt ein eklatanter Verfassungsbruch. Das Ergebnis der Abstimmung: In der Republika Srpska soll der am 9. Januar begangene "Nationalfeiertag" beibehalten werden. Die bosnischen Serben feiern an diesem Tag die Ausrufung ihrer Republik, für die Bosniaken und Kroaten in Bosnien-Herzegowina aber markiert der 9. Januar den Beginn des Bosnienkrieges.

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DW-Redakteur Benjamin Pargan

Das Referendum stürzt das ohnehin instabile Land in eine schwere Krise und gefährdet seinen Weg nach Europa. Dass es so eine Abstimmung überhaupt geben konnte, ist eine krachende Niederlage für den mit viel ausländischem Geld aufgepeppten Rechtsstaat in Bosnien-Herzegowina. Er war nicht in der Lage, das Referendum zu verhindern. Aber noch heftiger ist diese Niederlage für die sogenannte internationale Gemeinschaft und vor allem für den Hohen Repräsentanten der Europäischen Union in Bosnien-Herzegowina. Diese Rolle bekleidet zurzeit der österreichische Diplomat Valentin Inzko. Und er ist nun erst recht das Gesicht des glück- und erfolgslosen Protektorats, das Bosnien-Herzegowina rein formal noch immer ist.

Doppelt hält nicht immer besser

Das vom Verfassungsgericht verbotene, von der EU scharf kritisierte, nun aber dennoch abgehaltene Referendum ist ein weiterer Beweis, dass die doppelten Strukturen aus einheimischen und internationalen Protagonisten nicht richtig funktionieren und letztendlich macht- und wirkungslos sind. Denn die absolut notwendige Rechtsstaatlichkeit können offensichtlich weder die einheimischen Politiker noch die offiziellen Vertreter des Protektorats garantieren. Und das ist die vielleicht wichtigste Erkenntnis nach dem Referendum. Bosnien-Herzegowina bleibt das Sorgenkind in Südosteuropa, das im Hinblick auf die geostrategische Lage auch künftig der EU mehr als nur Kopfzerbrechen bereiten könnte. Hier prallen die europäischen, russischen und türkischen Interessen immer stärker aufeinander. Nicht zufällig holte sich Milorad Dodik in Moskau den Segen des russischen Präsidenten für sein Referendum und ignorierte mit dessen Unterstützung die Warnungen aus Brüssel und Washington völlig.

Im Gegenzug war das kleine Land schon immer ein strategischer Spielball seiner Nachbarn Serbien und Kroatien. Deshalb ist es in der jetzigen Gemengelage umso wichtiger, dass diese sich - vor allem Serbien und sein starker Regierungschef Aleksander Vucic - moderat und konstruktiv einbringen. Es gibt noch viel zu tun für alle Beteiligten. Denn das Referendum ist ein klarer Rückschritt für die ganze Region und ein Beweis, dass der Westbalkan seiner Rolle als instabiler und problematischer Hinterhof Europas jederzeit eindrucksvoll gerecht werden kann.    

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