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Verspätetes Durchgreifen

Grahame Lucas18. August 2015

Mehrere Blogger sind dieses Jahr in Bangladesch ermordet worden - jetzt vermelden die Behörden erste Festnahmen. Bereits von einem entscheidenden Schlag zu sprechen, wäre aber verfrüht, meint DW-Redakteur Grahame Lucas.

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Festgenommene Islamisten in Bangladesch, Foto: AFP
Bild: Getty Images/AFP/M. Uz Zaman

Den drei jetzt verhafteten Männern wird vorgeworfen, an zwei Morden an Bloggern Anfang des Jahres beteiligt gewesen zu sein. Das Ganze ist durchaus eine Überraschung, denn: Bisher waren die polizeilichen Ermittlungen zu den insgesamt vier Morden an Bloggern in Bangladesch sehr zögerlich verlaufen. Vor einigen Tagen erst hatte der Generaldirektor der Polizei, Shahidul Haque, atheistische Blogger davor gewarnt, "religiöse Gefühle oder den Glauben anderer" zu verletzen. Das alles klang fast so, als wenn die Behörden in Bangladesch glaubten, den Konflikt zwischen den Verfechtern der Redefreiheit und den Islamisten dadurch lösen zu können, indem die Blogger einfach aufhören zu schreiben. Zumindest aber war es nicht wie eine Warnung an die Islamisten zu verstehen, dass irgendwelche Verhaftungen kurz bevorstehen würden.

Bislang zögerliches Vorgehen gegen Islamisten

Jetzt scheint es, als wenn sich die Behörden in Bangladesch von dem internationalen Aufruhr haben beeinflussen lassen, den der insgesamt vierte Blogger-Mord im August dieses Jahres ausgelöst hatte. Der Vorwurf war, dass Bangladesch nicht genug unternimmt, um die Verbrechen aufzuklären. Und tatsächlich war es so, dass sich die Regierung von Sheikh Hasina nach Meinung vieler Menschenrechtsgruppen nicht besonders darum bemühte, gegen die Islamisten vorzugehen. Und sich, was noch dazu kam, auch nicht sonderlich darum kümmerte, aktive Blogger ausreichend zu schützen - trotz einer von Islamisten im Internet veröffentlichten Todesliste mit 84 Namen.

Die Regierung, da sind sich die Beobachter einig, hatte in der Vergangenheit vor allem eins im Sinn: sich ja nicht gegen die Mehrheitsmeinung aufzulehnen, die Massen im Land nicht zu verärgern. Und die säkularen Blogger dürften den allermeisten im muslimisch geprägten Bangladesch durchaus ein Dorn im Auge gewesen sein.

Lucas Grahame Kommentarbild App
DW-Redakteur Grahame Lucas

Das alles zeugt davon, dass die Regierung generell kein großes Interesse daran hat, diese Angriffe auf die Redefreiheit und die Demokratie zu unterbinden - einfach, weil sie Angst vor der Reaktion der Islamisten hat. Die Behörden in Bangladesch haben mehr Zeit damit verbracht, kritische Journalisten zu verfolgen, als die Mörder der Blogger zu suchen.

Bloß keine Unruhe!

Man darf aber auf der anderen Seite auch nicht vergessen, dass die Hasina-Regierung die Islamisten seit 2010 bei anderen Gelegenheiten mit harter Hand angefasst hat, und zwar im Zusammenhang mit dem Internationalen Kriegsgericht, das die grauenhaften Ereignisse während des Unabhängigkeitskriegs von 1971 aufarbeiten soll. Einige führende Islamisten sind seit 2010 hingerichtet worden, viele weitere warten auf die Vollstreckung.

Gegen diese international umstrittenen Verfahren hatte sich Massenprotest seitens der Islamisten geregt. Genau deshalb könnte die Regierung aber jetzt fürchten, den Konflikt mit den Islamisten weiter anzuheizen. Nicht, dass das Ganze noch in öffentlicher Unruhe endet.

Dass die Festnahmen am Dienstag vom "Rapid Action Bataillon" durchgeführt wurden - also einer Elitetruppe der Regierung - lässt darauf schließen, dass einige höchste Stellen jetzt doch die Notwendigkeit gesehen haben zu handeln. Das RAB selbst ist umstritten - es handelt parallel zur Polizei und hat seine eigenen Regeln. In den letzten Jahren soll die Truppe Menschen ohne jeden richterlichen Beschluss getötet haben. Ein Handeln, das Fragen aufwirft - und zwar durchaus berechtigte, auch, wenn es jetzt wieder um die Festnahmen im Zusammenhang mit den Blogger-Morden geht.

Fairer Prozess ist wichtig

Laut einem RAB-Offiziellen gehören die Festgenommenen zu der verbotenen Ansurullah Bangla-Gruppe, die mutmaßlich hinter dem Mord an Avijit Roy steckt. Der Gründer des kritischen Mukto-Mona-Blogs war Ende Februar ermordet worden. Außerdem wird die Gruppe auch verdächtigt, im Mai den Blogger Ananta Bijoy getötet zu haben. Ihr Anführer, ein Brite bangladeschischer Herkunft, wird verdächtigt, Studenten einer religiösen Hochschule für die Gruppe rekrutiert zu haben. Es ist jetzt extrem wichtig, dass die Verdächtigen einen fairen Prozess erhalten und die Behörden eine ordentliche Beweislage vor Gericht präsentieren. Dann würden die Verurteilungen den Islamisten tatsächlich schaden, und nur dann könnte auch ihre Unterstützung schwächer werden. Ob es zu so einem Prozess kommt, kann man aber kaum voraussagen.

Gleichzeitig scheint sich auch bei der Aufklärung der Morde an den zwei anderen Bloggern - Washiqur Rahman im März und Niloy Chowdhury im August - etwas zu tun. Die Polizei glaubt, dass eine andere islamistische Gruppe, die sogenannte "Al Kaida des Indischen Subkontinents", involviert sein könnte. Auch Ansurullah Bangla könnte mit ihnen zusammenarbeiten. Das würde den Behörden die Arbeit erleichtern, Beweise hierfür gibt es aber nicht.

Die Situation ist ernst. Das wird spätestens klar, wenn man weiß, dass Vertreter des sogenannten "Islamischen Staats" aus dem Nahen Osten in Bangladesch Zellen gegründet haben. Es wird immer deutlicher, dass verschiedene islamistische Gruppen in Bangladesch untereinander konkurrieren und um Einfluss in der islamistischen Szene kämpfen.

Erst in den kommenden Wochen wird wohl klar werden, ob die Festnahmen tatsächlich ein entscheidender Schlag gegen die Islamisten waren oder nicht. Eins dagegen ist schon jetzt klar: Die Regierung in Dhaka muss endlich anfangen, die Menschen im Land glaubhaft für Werte wie Pressefreiheit und Demokratie zu begeistern.