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Politik

Unrühmliches Schweigen

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Alexander Kudascheff
15. März 2017

Wie lange will sich die EU eigentlich noch aus Ankara provozieren lassen, bevor man sich zu einer gemeinsamen Reaktion verabredet? Dieser Schritt ist längst überfällig, meint DW-Chefredakteur Alexander Kudascheff.

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Türkei Erdogan Rede im Bestepe Zentrum in Ankara
Bild: picture-alliance/abaca/AA/M. Ali Ozcan

Es ist einfach, leider sehr einfach: Im Kampf, im Wahlkampf um eine neue Verfassung läuft der türkische Präsident Erdogan Amok. Er beleidigt, er polemisiert, er attackiert ohne Maß, ohne Anstand und ohne jede diplomatische Zurückhaltung - die Bundeskanzlerin, Deutschland als Ganzes, die Niederlande, die EU, die Europäer insgesamt. Und im Hintergrund applaudieren und skandieren die Minister Erdogans dieselbe Melodie der Misstöne, der Anklagen, der aggressiven Unterstellungen. Kein Tag vergeht, ohne dass Erdogan erneut poltert und wüst andere Politiker und andere Länder beschimpft. Dagegen kommt nicht einmal Donald Trump mit seinen Tweets an.

Die Kanzlerin drückt sich vor einer klaren Haltung

Und die Reaktionen? Die meisten stellen die Ohren auf Durchzug. Die meisten erklären das Herumpöbeln mit der Schwäche Erdogans. Die meisten sagen, man hoffe, mit dem Ende des Wahlkampfs würden sich die Beziehungen wieder normalisieren. Die meisten erklären diplomatische Zurückhaltung zur einzig angemessenen Form der Reaktion. Deswegen gibt es - zum Missfallen der Bevölkerung - eher selten harte, wenigstens verbal eindeutige Stellungnahmen. Ganz vorneweg im sich Herumschummeln um eine klare Haltung: die deutsche Bundeskanzlerin, die immerhin ihre Solidarität mit den Niederlanden ausgedrückt hat. Dabei wäre man dankbar, wenn man wüsste, ob die deutsche Regierung sich wirklich auf Dauer mit Faschismus- und Nazivergleichen vorführen lassen will.

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DW-Chefredakteur Alexander Kudascheff

Von der EU, in die auch Erdogans Türkei immer noch will, hört man vorsichtshalber erst gar nichts. Gut, nicht in allen Ländern der EU leben so viele Türken zum Teil in der dritten und vierten Generation wie in Deutschland, Österreich, den Niederlanden oder Frankreich - aber wenigstens rhetorische Unterstützung für die geschmähten Mitgliedsländer hätte man aus Brüssel erwarten dürfen. Immerhin wird das Europäische Parlament wohl beschließen, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auszusetzen, aber diese Verhandlungen sind in Wirklichkeit praktisch inexistent - und praktisch schon ausgesetzt. Da ändert sich nichts am Status quo. Die Türkei will (manchmal auch nicht) möglichst schnell in die EU. Die EU wiederum verhandelt, um zu verhandeln - nicht, um den Beitritt zu ermöglichen. Trotzdem: Von einer solidarischen Reaktion auf die Angriffe hätte man gerne gehört.

Erdogan pöbelt wie ein Halbstarker. Er verletzt diplomatische Gewissheiten und Regeln. Und das alles mit dem Ziel, aus der säkularen Republik eine orientalische Despotie zu machen. Und er hofft, dass die Türken sich hinter ihm und seinen Ausfällen versammeln. Nun kann es gut sein (auch wenn man den Umfragen nicht wirklich trauen kann), dass die Türken Nein zu Erdogans Machtanspruch, zu seiner präsidialen Diktatur sagen. Das wäre schön für die Türkei, für die Türken - und für die EU.

Wer will mit diesem Präsidenten zu tun haben?

Das Verhältnis zwischen dem Land am Bosporus und den Europäern, auch und gerade den Deutschen, wird sich aber nicht so schnell wieder beruhigen. Denn die Ausfälle Erdogans werfen ein grelles Licht auf das Selbstverständnis des vielleicht nicht so starken Mannes in Ankara. Und wer will mit diesem Präsidenten und seinem politischen Verhalten nach dem Referendum zu tun haben? Erdogan spürt das und kokettiert mit neuen strategischen Partnern. Die EU aber muss sich dringend entscheiden, ob sie nicht vielleicht doch eine gemeinsame Haltung gegenüber Erdogan entwickelt, anstatt sich täglich am Nasenring übers nicht mehr diplomatische Parkett schleifen zu lassen.

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