1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Sippenhaft für Kinder von AfD-Politikern?

28. März 2019

Weil Papa Abgeordneter der Alternative für Deutschland ist, lehnt eine Waldorfschule seine Tochter ab. Rechtlich mag das korrekt sein. Moralisch ist die Entscheidung eine Bankrotterklärung, meint Marcel Fürstenau.

https://p.dw.com/p/3FpYb
Deutschland, Hamburg: Symbolbild AFD
Bild: picture-alliance/M. Scholz

"Waldorfschulen stehen grundsätzlich allen Kindern offen - unabhängig von Religion, ethnischer Herkunft, Weltanschauung und Einkommen der Eltern." So steht es auf der Homepage des Bundes der Freien Waldorfschulen. Für das Kind eines Berliner AfD-Abgeordneten gelten allerdings andere Maßstäbe. Im Dezember 2018 wurde bekannt, dass eine Waldorfschule im Stadtbezirk Treptow-Köpenick der Tochter des Rechtspopulisten die Aufnahme verweigert hat. Anscheinend sorgten sich die Verantwortlichen um den Schulfrieden.

Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres fand - zum Glück - deutliche Worte: "Ich halte es für sehr problematisch, dass ein Kind für das politische Engagement seiner Eltern verantwortlich gemacht wird." Die Sozialdemokratin ließ den Fall deshalb in ihrer Behörde rechtlich prüfen. Das Ergebnis dürfte ihr missfallen. Zwar garantiere das Schulgesetz des Landes Berlin eine "diskriminierungsfreie" Bildung, ungeachtet der "religiösen oder politischen Anschauungen" - aber diese Vorschrift gelte nicht für Privatschulen.

Hätte man auch das Kind einer Kopftuch tragenden Mutter abgelehnt?

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
DW-Redakteur Marcel FürstenauBild: DW

Und es kommt sogar noch dicker: Das deutschlandweit geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) würde im konkreten Fall nur greifen bei einer "Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft". Die Waldorfschule hat also rechtens gehandelt. Die Verantwortlichen dürfen sich bestätigt fühlen. Würden sie aber auch - zum Beispiel - das Kind einer Mutter, die ein Kopftuch trägt, ablehnen? Zugegeben, die Frage ist hypothetisch. Sie führt aber zum Kern des Problems, nein: des Skandals.

Eine überwiegend aus Steuergeldern finanzierte Privatschule schwingt sich zur Richterin über die politische Gesinnung von Eltern auf und nimmt ein Kind in Sippenhaft. Ein Kind, das vorher einen Waldorf-Kindergarten besucht hat. Normalerweise werden solche Kinder dann bevorzugt von der Schule übernommen. Aber ein Mädchen mit AfD-Eltern passt dann wohl doch nicht so recht ins Konzept einer Lehranstalt, die sich seit 100 Jahren an der Pädagogik des Anthroposophen Rudolf Steiner orientiert. 

Auslese nach Gesinnung

"Der Unterricht ist von Schulbeginn an auf das Ziel innerer menschlicher Freiheit hin orientiert." Auch dieser Satz findet sich auf der Homepage des Bundes der Freien Waldorfschulen. Ein hehres Ziel. Weshalb viele Eltern ihre Kinder gerne auf eine solche Schule schicken wollen. Allerdings ist die Nachfrage schon lange viel größer als das Angebot. Im Fall des AfD-Politikers hat das Kind bei der Auswahl aber nicht etwa Pech gehabt. Nein, es wurde allein aussortiert, weil der Vater die vermeintlich falsche Geisteshaltung hat. Die Entscheidung zumindest der Waldorfschule Treptow-Köpenick ist eine moralische Bankrotterklärung.