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Petry weiß, wovon sie spricht

Marcel Fürstenau, Berlin12. September 2016

Die AfD-Chefin provoziert gerne. Nun will sie den Nazi-Begriff "völkisch" rehabilitieren. Wieder ein kalkulierter Tabubruch. Damit ist endgültig klar, dass diese Frau vor nichts zurückschreckt, meint Marcel Fürstenau.

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AfD-Chefin Frauke Petry
Bild: Reuters/W. Rattay

Frauke Petry hat erreicht, was sie wollte. Wieder einmal. Sie will dem Adjektiv "völkisch" einen neuen Klang andichten. Die sendungsbewusste Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) hat da ganz klare Vorstellungen. Eine der Lieblingsvokabeln alter und neuer Nazis soll endlich wieder "positiv" besetzt werden. Es sei eine "unzulässige Verkürzung", wenn gesagt werde, "völkisch" sei "rassistisch". Petry, die unerschrockene Kämpferin für die Reinheit und den unverkrampften Gebrauch der deutschen Sprache…

Aber darum geht es der Wortakrobatin natürlich überhaupt nicht. Auch und gerade sie weiß, welche Assoziationen mit "völkisch" geweckt werden. Es ist unzweifelhaft ein nationalsozialistischer Kampfbegriff, der sich vom ersten Tag dieser Bewegung an als brauner Faden durch ihre Ideologie zieht. Konsequenterweise hieß das antisemitische, rassistische Zentralorgan "Völkischer Beobachter".

Die AfD will ihr Wähler-Potenzial maximal ausschöpfen

Es ist das Gegenteil eines Zufalls, dass "völkisch" nach 1945 aus der Alltagssprache weitgehend verschwand. Gebräuchlich war und ist es in zwei Milieus: dem rechtsextremen und dem wissenschaftlich-publizistischen. Petry selbst sagt ja, sie benutze den Begriff nicht. Und trotzdem engagiert sich diese Politikerin für die Renaissance eines historisch eindeutig belasteten Wortes. Warum wohl? Weil sie das nach rechts offene Potenzial der AfD und ihrer Wähler maximal ausschöpfen will!

Dabei sind Petry inzwischen alle Tabubrüche recht. Die neuste Provokation ist der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Entgleisungen. Die Chefin und ihr Gefolge spielen spätestens seit dem Beginn der Flüchtlingskrise mit gezielten Grenzüberschreitungen - drei Beispiele:

· die Forderung nach Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge

· die Hetze gegen Fußballnationalspieler Jérôme Boateng

· der offene Antisemitismus eines Landtagsabgeordneten in Stuttgart

Nun also das Plädoyer für eine Neubewertung des Wörtchens "völkisch". Das passt bestens in die von Petry persönlich proklamierte Strategie: "Pointierte, teilweise auch provokante Aussagen" seien unerlässlich, um sich in den Medien Gehör zu verschaffen. Dabei ist die AfD doch längst in aller Munde. Nicht nur wegen ihrer Rhetorik, sondern wegen ihrer Wahlerfolge.

Vielleicht sorgt sich Petry um ein aus ihrer Sicht gutes Ergebnis bei der Wahl zum Berliner Landesparlament am 18. September. Die von Meinungsforschern vorhergesagten maximal 15 Prozent sind der AfD anscheinend zu wenig. Triumphe wie in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sind eben keine Selbstverständlichkeit. In beiden Bundesländern wurden die Rechtspopulisten zweitstärkste Kraft. In der deutschen Hauptstadt wird es dagegen nur zu Platz vier oder fünf reichen, weil SPD, CDU, Grüne und vielleicht auch Linke vor der AfD landen werden.

DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel Fürstenau
DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel FürstenauBild: DW/S. Eichberg

Angst vor dem eigenen Erfolg?

So geschmacklos und durchschaubar Petrys Kalkül ist - es lässt sich auch als Zeichen der Ungeduld und der Angst vor dem eigenen Erfolg deuten. Den Worten müssen auch bei dieser Partei Taten folgen. Und daran mangelt es bislang eklatant. Dort, wo die AfD im Parlament sitzt, ist kaum etwas von ihr zu hören. Abgesehen von Machtkämpfen innerhalb der Fraktion. In Stuttgart haben die schon zur Spaltung geführt. Und nach Petrys geplantem Aussetzer in Sachen "völkisch" ist verbal kaum noch Luft nach oben. Denn zum offenen Rassismus ist es jetzt lediglich ein kleiner Schritt.

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