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Neue europäische Union

Marcel Fürstenau, z. Zt. Potsdam25. Juni 2016

Nach dem Brexit-Schock präsentiert sich das zerstrittene Duo Merkel/Seehofer demonstrativ harmonisch. Vielleicht werden sich die Unionsparteien CDU/CSU ihrer Verantwortung endlich bewusst, hofft Marcel Fürstenau.

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Angela Merkel (l.) und Horst Seehofer bei der gemeinsamen Pressekonferenz in Potsdam. (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Angela Merkel und Horst Seehofer vertragen sich wieder. Dissens zwischen der Bundeskanzlerin und dem bayerischen Ministerpräsidenten? Wer es nicht besser wüsste, käme nie auf die Idee, dass zwischen ihnen oft Welten liegen. Menschlich, aber auch politisch. Bestes Beispiel ist der nur mühsam kaschierte Dauerstreit in der Flüchtlingsfrage. An diesem Tag in Potsdam jedoch rücken die CDU-Vorsitzende und ihr Pendant von der bayerischen Schwesterpartei CSU zusammen. Räumlich und rhetorisch. Statt in Berlin oder München trifft man sich gewissermaßen auf neutralem Terrain.

Das Entsetzen über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist den beiden anzusehen. Die Ernsthaftigkeit auf ihren Gesichtern wirkt authentisch. Keine Spur von Überheblichkeit, wie Seehofer sie sonst gegenüber Merkel mitunter spüren lässt. Und auch die deutsche Regierungschefin verkneift sich jegliche feine Ironie, mit der sie sonst die Attacken ihres Widersparts pariert. Der gibt dazu dieses Mal aber auch keinen Anlass. Beide scheinen den Ernst der Lage erfasst zu haben. Der freiwillige Abschied des Vereinigten Königreichs aus der EU-Familie könnte heilsam für den Familienfrieden zwischen den Unionsparteien sein.

"Wertebasis" und "Freundschaft" mit neuem Klang

"Sehr ernsthafte" Gespräche habe man geführt - sagt Merkel. Und Seehofer ist "sehr zufrieden" mit dem Verlauf der "Klausur", die offiziell eine "Arbeitstagung" war. Ob die christlich sich nennenden Parteien und ihr Führungsduo in der Abgeschiedenheit auf der Potsdamer Halbinsel Hermannswerder wirklich zur Besinnung gekommen sind, werden sie ab sofort beweisen müssen. Neuer Streit wäre Wasser auf die Mühlen aller EU-müden oder gar feindlichen Kräfte in Deutschland und Europa. Wenn sich Merkel und Seehofer in der von Populisten angeheizten Stimmung weiter in den Haaren liegen sollten, würden sie sich an der trotz Brexits großartigen Idee vom vereinten Europa versündigen.

DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel Fürstenau (Foto: DW)
DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel FürstenauBild: DW/S. Eichberg

Ihre ersten Reaktionen auf die Entscheidung der Briten lassen hoffen. Die "Wertebasis" bleibe, betont Merkel, auch die "Freundschaft". Wörter, die vor dem dramatischen Referendum routiniert und pflichtbewusst geklungen haben. Jetzt aber schwingt eine neue Ernsthaftigkeit mit, die niemand voreilig als floskelhaftes Gerede abtun sollte. Europa, sagt Seehofer, habe jetzt sogar die "große Chance", eine neue Epoche zu eröffnen. Dass Merkel dabei aus Sicht des Bayern "unbestritten eine Führungsposition hat", ist absolut richtig. Es liegt aber auch an ihm, wie die deutsche Regierungschefin im Konzert der künftig 27 EU-Staaten den Taktstock einsetzen wird.

Nationale und internationale Verantwortung

Eine Bundeskanzlerin, die nach dem Brexit weiter vom Trommelwirbel des Koalitionspartners CSU gestört werden würde, stünde in Europa endgültig auf verlorenem Posten. Denn wer zu Hause nicht für Ordnung und Disziplin sorgen kann, dem wird außerhalb Deutschlands spätestens jetzt die Gefolgschaft versagt.

Merkels und Seehofers Verantwortung war niemals größer - national und international. Welche Zukunft die Europäische Union haben wird, hängt entscheidend vom gemeinsamen Gestaltungswillen ihrer Mitglieder ab. Deutschland spielt dabei als politisch und wirtschaftlich einflussreichster Partner die entscheidende Rolle. Eine europäisch überzeugende Union - gemeint sind CDU und CSU - ist dafür eine unverzichtbare Voraussetzung.

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