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Die Sarko-Show

Bernd Riegert10. Juli 2008

Mit einem furiosen Auftritt hat Nicolas Sarkozy vor dem EU-Parlament seinen Einstand als Ratspräsident gegeben. Doch zur Lösung der EU-Krise ist mehr nötig als eine Sarko-Show, kommentiert Bernd Riegert.

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Bild: DW

Er ist ein guter Redner, er hat eine europäische Vision, er kann die konservativ-liberale Mehrheit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments begeistern: Nicolas Sarkozy in Straßburg bei seiner Antrittsrede. Mit seinem leidenschaftlichen Auftritt erinnerte der französische Staats- und amtierende EU-Ratspräsident an den damaligen britischen Premierminister Tony Blair, der im Juli 2005 die EU-Präsidentschaft übernahm. Auch er hielt eine fulminante Rede vor dem Parlament, in der praktischen EU-Politik scheiterte er aber grandios. Noch ist nicht abzusehen, ob Nicolas Sarkozy dasselbe Schicksal droht. Die Reden von Bundeskanzlerin Angela Merkel als EU-Ratspräsidentin waren 2007 eher bieder, doch dafür gelang es ihr, mit etwas Fortune den Lissabon-Vertrag auszuhandeln.

Bernd Riegert

Das extrem dynamische Show-Talent Sarkozy hat die Erwartungen an seine Präsidentschaft hoch geschraubt. Er sprüht vor Energie, die Europa in der erneuten Sinn-Krise nach dem Nein der Iren zum EU-Reformvertrag wirklich gut gebrauchen kann. Das schwierigste Problem seiner EU-Präsidentschaft, die Krise um den EU-Vertrag und die Zukunft Europas, wird für Nicolas Sarkozy eine große Last sein, vielleicht eine unlösbare Aufgabe. Das war bei Tony Blair 2005 nicht anders, der mit der Ablehnung der Verfassung durch Frankreich und die Niederlande umgehen musste. Sarkozy hat zwar seinen festen Willen bekundet, bis zum Ende des Jahres eine Lösung zu finden, aber wie er es schaffen will, den Reformvertrag nicht anzutasten und trotzdem die irischen Wähler zu überzeugen, das hat er offen gelassen. Das musste er wohl auch offen lassen, denn noch gibt es keinen Königsweg. Noch hat Irland seinen Preis für eine erneute Volksabstimmung nicht genannt. Offen ist auch noch, ob Nicolas Sarkozy bereit wäre, irischen Forderungen nach Nachbesserungen nachzukommen.

Diplomatisches Geschick gefragt

In diesem Punkt sind dem Ratspräsidenten auch die Hände gebunden, schließlich muss er sich mit 26 anderen Regierungen abstimmen. Das mag für den als spontan und sprunghaft geltenden Sarkzoy eine neue Erfahrung sein. Jetzt sind Vermittlungskunst und diplomatisches Geschick für Europa gefragt. Ob es klug war, den zögerlichen polnischen Präsidenten persönlich zu kritisieren, weil der den Lissabon-Vertrag zunächst nicht unterschreiben will, das wird sich noch erweisen müssen. Der Ratspräsident muss vermitteln, nicht draufhauen oder provozieren.

Sollte er es nicht schaffen, Irland und Polen doch noch zur Annahme des Reformvertrages zu bewegen, hat sich der französische Staatschef schon eine Hintertür offen gehalten. Falls gar nichts anderes geht, will Sarkzoy ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten zulassen. Dabei will er aber nicht die neuen osteuropäischen Staaten abkoppeln, sondern die Unwilligen, wie zum Beispiel Irland. Dass sein erstes Prestigeobjekt, die Mittelmeerunion, kräftig abgespeckt wurde, wischt Nicolas Sarkozy beiseite. Er will die europäische Bühne unbeirrt nutzen, um in Frankreich und international zu glänzen.

Energiebündel Sarkozy

Fast schon ein wenig penetrant wirkend strotzt Sarkozy vor Selbstbewusstsein und lässt sich von Kritik, etwa an seinem geplanten China-Besuch anlässlich der Olympischen Spiele, nicht abschrecken. Er lässt sich aber auch vom wirtschaftlich potenten China nicht einschüchtern. Sarkozy will vor seiner China-Reise noch den Dalai Lama, den geistlichen Führer Tibets, in Frankreich treffen. Der französische Präsident hat sich vorgenommen, trotz der Vertragskrise konkrete politische Projekte wie den Klimaschutz, die Agrarreform und die Einwanderungspolitik in seinem Sinne voranzutreiben. Das wird sehr schwierig werden.

Doch wer außer dem Energiebündel Sarkozy hätte unter den derzeitigen politischen Führern Europas wohl den Durchsetzungswillen, es gegen alle Widerstände zu schaffen. "Ich liebe die Politik und ich habe keine Angst", sagte Sarkozy in seiner Pressekonferenz und er meint es wohl ehrlich.

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