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Kommentar: Merkel und Erdogan wahren Distanz

Baha Güngör25. Februar 2013

Dass Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan zu engen Freunden werden, hatte wohl niemand ernsthaft erwartet. Dafür liegen die Auffassungen allerdings auch zu weit auseinander, meint Baha Güngör in seinem Kommentar.

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Die Bundeskanzlerin nahm bei ihrem dritten Türkei-Besuch seit Amtsantritt kein Blatt vor den Mund. Das war auch gut und angebracht so. Zu sehr hinkt die Türkei beispielsweise den Erwartungen der Europäer bezüglich Gedankenfreiheit hinterher. Der türkische Regierungschef ist außerdem bekannt für seinen Verzicht auf politische Korrektheit zum Beispiel im Zypern-Konflikt. Bei den türkischen Maximalpositionen wie der Nicht-Anerkennung Süd-Zyperns als Staat ebenso wie als EU-Mitglied ließ er keinerlei Flexibilität erkennen.

Erdogan fordert von den Europäern aber auch mit Recht, dass sie endlich Farbe bekennen und klar sagen, ob sie wirklich hinter dem Beitrittsprozess der Türkei stehen. Die deutsch-französische Bereitschaft zur Eröffnung eines weiteren von 35 Kapiteln bei den Beitrittsverhandlungen reicht den Türken nicht aus. Merkel brachte indes auch diesmal unverhohlen ihre Skepsis gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei zum Ausdruck und zeigte sich einmal mehr ehrlich in der Sache. Sie kritisierte zudem, dass Journalisten in türkischen Gefängnissen inhaftiert seien, was wiederum Erdogan zum Hinweis auf die "Unabhängigkeit der türkischen Justiz" bewegte. Es handele sich bis auf ganz wenige nicht um Journalisten, sondern um Unterstützer von Putschisten, Terroristen und verbotenen Organisationen.

Portrait von Baha Güngör (Foto DW/Per Henriksen)
Baha Güngör, Leiter des türkischen Programms der Deutschen WelleBild: DW

So bleibt die Atmosphäre der Freundschaft beschränkt auf das wachsende bilaterale Handelsvolumen von weit über 30 Milliarden Euro jährlich, auf die Präsenz von 5000 deutschen Firmen in der Türkei, auf viele gemeinsame Wirtschaftsprojekte und den florierenden Handel. Doch reicht das aus, die traditionell guten bilateralen Beziehungen zu festigen? Wohl kaum.

Die religiösen Minderheiten in der Türkei bleiben ein Problem. Sie sind trotz einiger Lockerungen immer noch weit davon entfernt, sich frei entfalten zu dürfen. Die deutschen Stiftungen, die von der türkischen Führung immer wieder wegen angeblicher Handlungen gegen die Interessen der Türkei attackiert werden, lobte Merkel ausdrücklich für ihre gute Arbeit vor Ort.

Als Fazit der Merkel-Reise bleibt festzuhalten, dass Gesten des guten Willens nicht ausreichen, um eine bleibende Entspannung zwischen Berlin und Ankara einzuleiten. Die Wirtschaftswelt ist anders gestrickt als die politische: Unternehmen müssen keine Wahlen gewinnen und sind glücklich, wenn der Handel blüht und die Auftragsbücher voll sind. Geschäftsleute können unverbindlich den türkischen Beitritt zur EU fordern. In der Politik aber entscheiden Wahlen.