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Politik

Partner mit Potenzial

2. November 2019

Bundeskanzlerin Merkel tut gut daran, Verständnis für den indischen Premierminister Narendra Modi zu zeigen. Er mag kein lupenreiner Demokrat sein, dennoch teilt er westliche Werte, meint Michaela Küfner.

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Indischer Premierminister Modi bei Bundeskanzlerin Merkel
Bild: picture-alliance/AP/M. Sohn

Reiter in Gala-Uniform geleiten die Limousine der Kanzlerin die letzten Meter bis zur Ankunft - so etwas erlebt auch Angela Merkel nicht so oft. Der indische Premierminister Narendra Modi und die deutsche Kanzlerin schätzen sich. Kritik ja, aber vor allem mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit - das war die Kernbotschaft von Angela Merkel bei den fünften deutsch-indischen Regierungskonsultationen in Neu Delhi.

Kaschmir hin, Internierungslager für zwangsausgebürgerte Staatsbürger her, Deutschland will Indiens enger Partner sein, wenn Modi sein "neues Indien" baut. Dabei gibt es schwerwiegende Menschenrechtsverstöße und demokratische Defizite in der größten Demokratie der Welt. Doch nur auf Nachfrage und nur vor deutschen Journalisten spricht Merkel diese auch öffentlich an. Die Lage der Menschen in Kaschmir, die über Nacht mit Ausgangssperren belegt wurden, sei "nicht nachhaltig und nicht gut" und müsse "sicherlich verbessert werden", sagt die Kanzlerin. Das reicht schon, um in Indien einen Sturm der Entrüstung in den sozialen Netzwerken zu entfachen.

Kritik hinter den Kulissen 

Auch hinter den Kulissen sprach Merkel Kaschmir an und wurde damit ihrem Image als "Leader of the free world" gerecht. Doch während der Gespräche mit Premierminister Modi ging es Angela Merkel vor allem darum, den Weg für ein mögliches Freihandelsabkommen Indiens mit der EU zu ebnen. Die Gespräche dazu waren schon einmal weit fortgeschritten, nun gibt es die Hoffnung, dass Modi in seiner zweiten Amtszeit einen neuen Anlauf wagt.

Geschickt vermeidet es Merkel, Wirtschaftsinteressen und Menschenrechtsfragen miteinander zu verknüpfen. Kritiklos lässt sie Premierminister Modi dennoch nicht davonkommen. Denn zu Hause in Deutschland hat es sich bei allem Winden der Großen Koalition um den eigenen Fortbestand noch nicht so rumgesprochen: Deutschland befindet sich nicht nur in einem globalen Wirtschafts-, sondern zunehmend auch in einem Systemwettbewerb. Die Angst, im Handelskrieg zwischen den USA und China zerrieben zu werden, geht in Europa um. Das muss man in Asien erst gar nicht groß erklären. Die Inder kennen so etwas, und sehen selbstbewusst, dass ein erstarkendes Indien für den Westen zunehmend zu einem attraktiven Verbündeten wird.

Partner ohne nötiges Kampfgewicht
Doch es ist ein Indien, das zwar vor Potenzial strotzt, und dennoch dem Vergleich zu China schlicht nicht stand hält. Waren beide Länder vor den 1990er Jahren durchaus wirtschaftlich vergleichbar, erwirtschaftet China heute das fünffache des indischen Bruttosozialprodukts, bei fast gleich großer Bevölkerung. Während Modi also noch damit beschäftigt ist, jeder indischen Familie eine Toilette in den Garten zu stellen, schmiedet China eifrig an seinen geopolitischen Zukunftsträumen.

Deutsche Welle Michaela Kuefner, TV Portrait
DW-Hauptstadtkorrespondentin Michaela KüfnerBild: DW/B. Geilert

Auch Modi träumt von Indiens neuer Rolle in der Arena der Weltpolitik. Nur fehlt ihm noch das nötige wirtschaftliche Kampfgewicht, um jenseits des Status als Atommacht bei den ganz Großen mitzuspielen. Merkel findet durchaus Gehör, wenn sie hier auf eine "win-win"-Beziehung hofft. Die könnte es geben, wenn aus den 22 unterzeichneten bilateralen Dokumenten der letzten drei Tage trotz der Bürokratien auf beiden Seiten echte neue Impulse entstehen. Dass neue Bande mit einem Land wie Indien nicht zuletzt schon deswegen notwendig sind, um den Status quo Deutschlands in der Welt zu sichern, liegt hier auf der Hand.

Doch schon auf dem Rückflug Richtung Berlin geht es ganz schnell wieder um die Querelen der großen Koalition und um einen Kompromiss bei der Grundrente. Nahtlos wechseln die Gespräche der Journalisten die Flughöhe. Dann geht das Gerücht um, die Inder hätten vor, eine von Angela Merkel vor Abflug noch besuchte solarbetriebene Metro-Haltestelle in Neu Delhi nach ihr zu benennen. Die ist auch noch eine Endstation - wie (un)passend.