Honecker-Buckel und Zweidrittel-Osten
25 Jahre Wiedervereinigung sind eine Erfolgsgeschichte. Jedenfalls wenn man von außen auf Deutschland schaut. Kein anderes ehemaliges Ostblockland - und dazu zählte die DDR - hat in den vergangenen 25 Jahren so eine Aufholjagd hingelegt, seinen Lebensstandard so verbessert und so viel an Wirtschaftskraft gewonnen wie der Teil Deutschlands, der gerne als "Osten" betitelt wird.
Und trotzdem gibt es sie: die Probleme und vor allem die Unzufriedenheit. Über die Hälfte aller Deutschen sieht immer noch mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen Ost- und Westdeutschen. Eine Sicht, die vor allem im Osten weit verbreitet ist.
Es waren die Bürger der ehemaligen DDR, die damit klar kommen mussten, dass quasi über Nacht die gewohnten Strukturen zusammenbrachen und ein völlig neues System an die Stelle des "real existierenden Sozialismus" trat. Im Westen hingegen veränderte sich erst einmal wenig. Fast zwei Millionen Menschen verließen die fünf ostdeutschen Bundesländer, vor allem die Jungen gingen. Und vor allem die Frauen. Eine Entwicklung, deren Auswirkungen noch heute sichtbar sind: hübsch restaurierte ostdeutsche Städte, die seltsam leblos wirken, Betriebe, die keinen Nachwuchs finden, ganze Dörfer, die einfach aussterben.
Der Zwei-Drittel-Osten
Große Teile der DDR-Wirtschaft verschwanden einfach Anfang der Neunziger Jahre. Weil sie nicht konkurrenzfähig waren, wurden die Ost-Unternehmen entweder abgewickelt oder gingen Pleite. Mit ihnen verschwanden die Arbeitsplätze, zeitweilig lag die Arbeitslosenquote bei über 25 Prozent - heute sind es in den neuen Bundesländern etwas mehr als zehn Prozent.
Darüber wirkt es fast wie ein Wunder, dass heute immerhin zwei Drittel der westdeutschen Wirtschaftskraft erreicht werden. Zwei Drittel - das ist auch das Verhältnis ostdeutscher gegen westdeutsche Einkommen, immer noch wird in den ostdeutschen Bundesländern im Schnitt weniger verdient und gespart. Die Menschen zwischen Rostock und Chemnitz haben gerade mal halb so viel Vermögen aufbauen können wie die Menschen zwischen Hamburg und München.
Natürlich werden solche Unterschiede gerade von den Menschen wahrgenommen, die am unteren Ende der Skala sitzen. Allerdings gehört zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme auch, dass all diese Unterschiede viel größer sein könnten. Vergleicht man das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der ostdeutschen Bundesländer mit den ehemaligen "Bruderstaaten" im Warschauer Pakt, dann liegen Thüringen, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern jedes für sich genommen klar vor Polen, Ungarn oder Tschechien.
Vereint in der Kinderlosigkeit
Und noch eine Zahl, die gerne bemüht wird, wenn es um die Ungleichheit zwischen Ost- und West-Deutschland geht. In den ostdeutschen Bundesländern ist es leichter, einen Kindergarten-Platz zu ergattern, jedes zweite Kind unter drei Jahren hat hier einen Betreuungsplatz. Im Westen nur jedes vierte.
Zur sozialistischen Ideologie gehörte es, dass alle "Werktätige" waren. Es herrschte Arbeitspflicht - auch für Frauen mit Kindern. Der Staat sorgte dafür, dass Arbeit und Familie zusammenpassten, etwa durch flächendeckende Kinderbetreuung. Mit ihrer Familienpolitik erreichte die DDR in den Siebziger Jahren eine Geburtenquote, die fast doppelt so hoch war wie im vom Pillenknick geplagten Westen: der sogenannte Honecker-Buckel.
Der Honecker-Buckel ist lange Geschichte, nach der Wende traten die Ostfrauen offensichtlich in eine Art Gebärstreik. 1992 sank die Geburtenquote auf einen weltweit einmaligen Tiefstand von 0,74 Kindern pro Frau. Wenigstens hier haben sich Ost und West inzwischen angeglichen. Sowohl zwischen Greifswald und Dresden, als auch zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen liegt die Quote bei bescheidenen 1,4 Kindern pro Frau.
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