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Gülens Verfolgung

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
11. August 2016

Seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei verfolgt Präsident Erdogan die Gülen-Bewegung mit aller Härte. Das liegt nicht im Interesse des Westens, meint Rainer Hermann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Türkei Erdoganunterstützer in Istanbul gegen Fethullah Gülen
Symbolisch wurde Fethullah Gülen auf dem Taksim-Platz in Istanbul bereits an den Galgen gehängtBild: Getty Images/AFP/A. Messinis

Sie waren Weggefährten, sind heute aber Todfeinde. Zusammen stehen sie für den Aufstieg einer neuen anatolischen Elite, die seit dem Jahr 2002 die Türkei regiert: der Politiker Recep Tayyip Erdogan und der Prediger Fethullah Gülen. Sie haben nie zusammen gearbeitet, sie ergänzten sich aber gut.

Förderer der modernen Bildung

Zunächst hatte Gülen mit seiner Forderung, einen zeitgemäßen Islam zu leben und sich moderne Bildung anzueignen, das Erwachen Anatoliens angestoßen. Türken ließen sich von seiner losen Bewegung inspirieren, die die Bildung und den Dialog mit Nichtmuslimen in den Mittelpunkt stellte. Dabei organisierten sie sich nicht über Mitgliedschaften; das hat ihnen später den Vorwurf eingebracht, nicht transparent zu sein.

Die Früchte erntete Erdogan, der der politische Führer dieser lange vernachlässigten Anatolier wurde und sie in Ankara an die Macht brachte. Zunächst war Erdogan auf die Bildungselite der Gülen-Bewegung angewiesen und holte sie in die Bürokratie. Dann schaltete er alle politischen Rivalen aus, bis es nun als letzten Gülen und dessen Bewegung trifft. Denn sie ordneten sich Erdogan nicht unter; vielmehr kritisierten sie den nachlassenden Reformeifer und Erdogans autoritären Stil. Als Gülen nahestehende Staatsanwälte 2013 eine Korruptionsaffäre aufdeckten, die Erdogan schwer belastet, erklärte dieser der Bewegung den Krieg. Seit dem Putschversuch vom 15. Juli will er die Bewegung auslöschen. Gülen selbst hat damit nichts zu tun. Geplant wurde er von einem heterogenen Bündnis unzufriedener Generäle aus der alten Elite und von Offizieren, die Gülen nahe stehen.

Autor Rainer Hermann
Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: picture-alliance/dpa

Saudische Schulen füllen das Vakuum

Die Bewegung hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten aus der Türkei gelöst und ist heute weltweit mit mehr als Tausend Sekundarschulen und einigen Hochschulen aktiv. Türkische Diplomaten fordern nun die Schließung der Schulen. Sollten die Regierungen nachgeben, wäre das verheerend. In einigen Ländern würden saudische Schulen das Vakuum füllen; in anderen wäre die neue türkische Mittelschicht gefährdet, die von Gülen inspiriert ist. Die meisten sind Akademiker und - anders als Erdogans Anhänger - in ihren Gesellschaften integriert. Diese Verfolgung bekämpft zudem einen toleranten Islam, der mit der westlichen Demokratie und einer pluralistischen Gesellschaft vereinbar ist. Das kann nicht unser Interesse sein.

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