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Kommentar: Notwendig und Pragmatisch

Loay Mudhoon10. Oktober 2012

Die Bundesregierung hat eine pragmatische Gesetzesvorlage zur Beschneidung von Jungen verabschiedet. Die Debatte über die Legitimität der rituellen Beschneidung wird dies jedoch nicht beenden, meint Loay Mudhoon.

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So schnell hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode selten gehandelt: Knapp drei Monate nach dem Urteil des Kölner Landgerichts gegen die Beschneidung von Jungen hierzulande hat das Kabinett eine neue gesetzliche Regelung für medizinisch nicht notwendige Beschneidungen auf den Weg gebracht. 

Nach der neuen Gesetzesvorlage bleibt die Beschneidung von Jungen straffrei, sofern die Eltern ihre Zustimmung dazu geben und der Eingriff nach „den Regeln der ärztlichen Kunst“ erfolgt. Zudem ist bei der neuen Gesetzesformulierung besonders wichtig, dass das Recht auf Beschneidung des Sohnes Teil des elterlichen Sorgerechts werden soll. Damit wäre die Beschneidung rechtlich getrennt von der strafbaren Körperverletzung. Außerdem wird der Kriminalisierung von Juden und Muslimen dadurch ein deutlicher Riegel vorgeschoben. 

Eine notwenige und pragmatische Regelung

Aber es geht bei der Beschneidungsregelung nicht primär um formaljuristische Fragen. Vielmehr geht es um einen Wertekonflikt in einer pluralistisch verfassten Gesellschaft – ein Konflikt zwischen den säkularen Normen des demokratischen Rechtstaats und den Geboten und Riten seiner verschiedenen religiösen Gemeinschaften. Dass die Lösung solcher Konflikte ausgeprägten Sinn für Sensibilität und Realismus benötigt, das zeigte die Debatte über die Notwendigkeit der Beschneidung eindruckvoll.  

Denn dieser Wertekonflikt führte in den vergangenen Monaten zu einer kontroversen öffentlichen Diskussion, die aus dem Ruder zu geraten drohte. In dieser Debatte wurden teilweise alte und hässliche Vorurteile über Juden und Muslime wiederbelebt. Symptomatisch für die Schieflage der Debatte war, dass jede argumentative Bezugsnahme auf das Religiöse als irrational abgetan wurde. Ein weit verbreiteter, religiöser Analphabetismus in der Mehrheitsgesellschaft wurde sichtbar.

Beschneidungen dürfen nicht in die Illegalität abgedrängt werden

Die hiesige Debatte über die Beschneidung von Jungen schlug auch hohe Wellen, weil plötzlich die Frage im Raum stand, ob jüdisches und muslimisches Leben hierzulande möglich und erwünscht ist. Auch deshalb musste die Bundesregierung schnell handeln und Rechtssicherheit schaffen.

Dennoch: So vernünftig und ausgesprochen pragmatisch die neue Beschneidungsregelung sein mag, die Debatte über die Notwendigkeit und Legitimität der rituellen Beschneidung wird sie nicht beenden können. Aber immerhin: Eines wird das gesetzlich garantierte Recht auf Beschneidung gewährleisten: Dass Beschneidungen aus religiösen Gründen nicht in die Illegalität abgedrängt werden. Denn das wäre unverantwortlich und nicht Im Interesse des Kindes.