Der Sommer 2018: volle Biergärten, Hitze auch in der Nacht, wie in Süditalien. Ernteausfälle. Dürre. Die Flüsse führen so wenig Wasser, dass die Schifffahrt zum Erliegen kommt. Waldbrände, wie man sie noch nie gesehen hat. Willkommen im Klimawandelland Deutschland.
Anfang Oktober
Der Weltklimarat veröffentlicht einen Sonderbericht: Die Lage ist dramatisch, die Länder müssen ihre Klimaziele nachbessern, so die Forderung. Auch in Deutschland sagen alle Umfragen: Der Klimawandel ist ein Problem, dass vielen Menschen Sorgen macht. Aber aus dem Umweltschutzland Deutschland kommen zeitgleich diese Meldungen: Gerichte erzwingen Fahrverbote für Diesel-Autos in immer mehr deutschen Städten, weil die Schadstoff-Obergrenzen der EU überschritten wurden. Hektische Diesel-Gipfel der Politik. Aber es hilft alles (noch) nichts: Die PS-starken deutschen Autos produzieren zu viele Schadstoffe! Die Regierung räumt endgültig ein, dass das ehrgeizige Klimaziel, 40 Prozent an Treibhausgasen bis 2020 einzusparen, nicht zu schaffen ist. Und zwar bei Weitem nicht.
Dabei hatte man doch im Frühsommer die "Kohlekommission" eingerichtet. 28 Experten aus Politik, Gesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Umweltverbänden sollen eine Empfehlung machen, bis wann Deutschland mit dem Kohleabbau Schluss macht. Eigentlich wollen sie das bis Mitte Dezember klären, rechtzeitig zur Weltklimakonferenz in Polen. Denn die Kohle, vor allem die Braunkohle, ist Klimaschädling Nummer Eins. Doch die Kommission schafft es nicht, den Zeitplan einzuhalten und wird jetzt erst 2019 ihr Votum abgeben. Ein Trauerspiel. Internationale Umweltgruppen wählen den früheren Klimavorreiter Deutschland deshalb auf den Konferenz in Kattowitz zum "Fossil of the Day". Das ist ein Negativ-Preis für die größten Klimaschädlinge. Saudi-Arabien bekommt den oft, oder auch die USA. Jetzt also Deutschland. Peinlich.
Ende Oktober
Warum sich die Kohle-Kommission nicht einigen kann, ist gut in der Bundespressekonferenz in Berlin zu beobachten. Drei Ministerpräsidenten aus den neuen Ländern, die aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und aus Brandenburg, warnen vor einem zu frühen Aus für die Kohle. 10 000 Menschen arbeiten noch in den ostdeutschen Revieren. Die rechtpopulistische "Alternative für Deutschland" AfD, die die abstreitet, dass der Mensch den Klimawandel verursacht hat, agitiert gegen die etablierten Parteien. Umfragen im September belegen: Die AfD liegt im Osten vor der CDU. Die Angst vor den Rechtspopulisten ist greifbar beim Auftritt der drei Länderchefs. Sie werden dann später in der Kohlekommission mit dafür sorgen, dass es zu keiner Einigung kommt.
Dezember
Die neue Bundesumweltministerin, Svenja Schulze von der SPD, übt auf dem Klimatreffen in Polen einen bizarren Spagat. Sie stellt sich in eine Reihe mit Entwicklungsländern, kleinen Inselstaaten und besonders engagierten reichen Ländern und fordert, mehr zu machen als bislang im Kampf gegen den Klimawandel. Und weist gleichzeitig Forderungen nach einem raschen Kohle-Aus zurück. Zuhause, in Deutschland, setzt sich ihr Kollege aus dem Wirtschaftsressort, Peter Altmaier von der CDU, in ein Fernsehstudio und erklärt: Die Solidaritätsadresse mit den armen Inselstaaten sei nicht abgesprochen gewesen und somit nicht Position der gesamten Regierung. Die Chefin von Greenpeace, Jennifer Morgan, Klimaexpertin seit vielen Jahren, nennt die gegenwärtige deutsche Klimapolitik in einer Diskussion mit der Umweltministerin eine "Lachnummer". Schulze nimmt das kommentarlos hin.
Und die frühere Klimakanzlerin sagt zu alldem kein Wort. Mit dem Thema Klima kann man keine Siege mehr feiern in Deutschland. Das Thema besorgt die Menschen zwar, aber wenn das vor Ort Veränderungen bedeutet - Windräder gebaut werden oder Kohlezechen schließen müssen - bekommt die Politik das zu spüren. Fast 40 Prozent des Stroms kommen in Deutschland schon aus erneuerbaren Quellen. Aber jetzt muss der Verkehr nachziehen, der Wohnungsbau. Und die Kohle braucht ein Enddatum. Alles schlechte Botschaften, weil sie Änderungen verlangen. Ende mit der Klimakanzlerin.