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BND außer Rand und Band

Marcel Fürstenau15. Oktober 2015

Der deutsche Auslandsgeheimdienst stolpert von einer Affäre in die nächste. Es wird lange dauern, Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückzugewinnen. Mehr denn je ist die Bundesregierung gefragt, meint Marcel Fürstenau.

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"BND an die Kette" steht auf einem Plakat während einer Protest-Aktion vor dem Berliner BND-Gebäude (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

Edward Snowdens Enthüllungen über die globale Spionage der National Security Agency (NSA) hat auch den Bundesnachrichtendienst (BND) in Verruf gebracht. Die Deutschen halfen den Amerikanern jahrelang beim Ausspähen strategischer Ziele, ohne sich allzu viele Gedanken über die Rechtmäßigkeit ihres Tuns zu machen. Deshalb hat der Bundestag im Frühjahr 2014 einen Untersuchungsausschuss eingerichtet. Damals ahnte niemand, welche Lawine die hartnäckig nachfragenden Abgeordneten auslösen würden - sie selbst wohl auch nicht. An BND-Zeugen mit erstaunlich großen Erinnerungslücken haben sich die Parlamentarier ebenso schnell gewöhnen müssen, wie an eine Bundesregierung, die kein Interesse an umfassender Aufklärung hat.

Jüngster Tiefpunkt ist die jetzt bekannt gewordene Tatsache, dass auch der BND befreundete Länder mit Hilfe von Suchbegriffen ausspioniert hat. Der Einsatz sogenannter Selektoren - Telefonnummern, Mail-Adressen und Ähnliches - galt bislang als Spezialität der NSA. Dem BND fiel dabei anscheinend nur die Rolle eines braven Handlangers zu. Diese Einschätzung gilt zwar weiterhin, erscheint angesichts der jüngsten Erkenntnisse aber in einem ganz anderen Licht. Wer wollte jetzt noch bezweifeln, der BND habe das Selektieren für die NSA auch als inoffizielle Fortbildung betrachtet? Schließlich verfügen die Amerikaner über weitaus bessere Technik, von der zuweilen auch die Deutschen profitieren. Methoden-Training kann da sehr nützlich sein…

DW-Redakteur Marcel Fürstenau (Foto: DW)
DW-Redakteur Marcel FürstenauBild: DW/S. Eichberg

Merkels Empörung - echt?

Diese an Absurditäten und Unverschämtheiten so reiche Affäre sprengt schon lange jeden Rahmen. Inzwischen ist es über zwei Jahre her, dass der damalige Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator Ronald Pofalla die Affäre kurz vor der Bundestagswahl 2013 für beendet erklärte. Mehr als voreilig, wie sich bald herausstellte. Dass da wohl noch einige Zeitbomben ticken, konnte man ahnen, als Angela Merkels von der NSA abgehörtes Handy für Schlagzeilen sorgte. Ihre Empörung - "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht!" - wirft unter dem Eindruck des aktuellen BND-Skandals ganz neue Fragen auf. War Merkels Aufschrei nur gespielt? Oder führt die vom Kanzleramt beaufsichtigte Behörde tatsächlich ein weitgehend unkontrolliertes Eigenleben?

Für die erste Vermutung spricht das auffällig lange Schweigen der Regierungschefin in der frühen Phase der NSA/BND-Affäre. Erst als sie persönlich betroffen war, rang sich Merkel zu einer öffentlichen Kritik am engsten Verbündeten durch. Die vorher bekannt gewordene massenhafte Ausspähung deutscher Ziele war ihr hingegen kein deutliches Wort des Missfallens wert gewesen. Sollte ihre Entrüstung ehrlichen Herzens gewesen sein, drängt sich eine andere Vermutung auf: Die Bundeskanzlerin weiß bestenfalls schemenhaft, was ihr Auslandsgeheimdienst tut.

Seit wann weiß das Kanzleramt Bescheid?

Nun ließe sich einwenden, für Detailfragen in Sachen Geheimdienste hat sie ihren Amtschef Peter Altmaier und den zusätzlich berufenen Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche. Doch anscheinend ist es den beiden nicht gelungen, den BND zu disziplinieren. Oder warum hat das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKGr) erst am Mittwoch vom Einsatz der Selektoren gegenüber befreundeten Staaten erfahren? Sollte das Kanzleramt schon länger eingeweiht sein, wäre auch das ein Skandal. Denn laut BND-Gesetz muss die Regierung das PKGr umgehend über relevante Aktivitäten des Auslandsgeheimdienstes informieren.

Von welcher Seite auch immer man das Ganze betrachtet, es tun sich Abgründe auf. Das Parlamentarische Kontrollgremium will nun eine Task Force einsetzen. Es steht zu befürchten, dass auch diese Maßnahme folgenlos verpufft. So war es leider noch nach jedem Geheimdienst-Skandal. Es wäre deshalb an der Bundesregierung, endlich reinen Tisch zu machen. Doch damit ist kaum zu rechnen. Sie weigerte sich schon, den Abgeordneten des NSA-Untersuchungsausschuss Einblick in die Selektoren-Listen der Amerikaner zu gewähren. Dann wird sie die des BND erst recht nicht herausrücken.

Der BND hätte vielleicht mehr Wertschätzung verdient

Es spricht leider viel dafür, dass die Regierung an ihrer Salami-Taktik festhält. Immer nur zugeben, was nicht mehr zu verheimlichen ist. So gewinnt man kein Vertrauen in die Arbeit der Nachrichtendienste. Das ist schon deshalb schade, weil darunter auch die Würdigung ihrer wertvollen Arbeit - insbesondere bei der Terror-Abwehr - leidet. Der BND hätte trotz aller Schwächen und Mängel mehr Anerkennung verdient - theoretisch. Praktisch wird er sie erst dann bekommen, wenn die oft unnötige Geheimniskrämerei beendet wird - von ihm selbst, von der Bundesregierung oder beiden zusammen. Denn wer was über die NSA/BND-Affäre weiß, wissen die Beteiligten vielleicht wirklich nicht genau. Auch das wäre ein besorgniserregender Befund.

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