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Bestrafte Enthüller im LuxLeaks-Prozess

29. Juni 2016

Der LuxLeaks-Prozess endete mit Bewährungsstrafen für die beiden Whistleblower. Das Gericht hat der Gerechtigkeit einen Bärendienst erwiesen - und gleich mehrere falsche Signale gesendet, meint Matthias von Hein.

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Luxemburg Anhänger von Antoine Deltour beim LuxLeaks-Prozess
Anhänger der Angeklagten Antoine Deltour und Raphael Halet demonstrierten vor dem GerichtsgebäudeBild: Getty Images/AFP/J. Thys

Hätte es noch eines Beweises bedurft, wie weit Recht und Gerechtigkeit auseinander liegen können - das Urteil im LuxLeaks-Prozess hätte ihn geliefert. Denn wie gerecht ist es eigentlich, wenn internationale Konzerne die Steuern auf ihre sprudelnden Gewinne auf unter ein Prozent drücken, während Normalbürger und Kleinbetriebe den Unterhalt des Gemeinwesens mit schmerzhaften Steuerlasten bestreiten müssen? Oder ganz konkret zum LuxLeaks-Prozess: Wieso sind die beiden Hinweisgeber jetzt vorbestraft, während der für die aggressive Steuervermeidungspraxis mitverantwortliche Jean-Claude Juncker weiterhin Präsident der EU-Kommission bleibt? Die verheerende Botschaft lautet: Zivilcourage ist gefährlich! Hinweisgeber riskieren nicht nur ihren Job, sondern auch ihre Freiheit.

Investigative Recherche braucht Hinweisgeber

Wie aber soll die Presse ihrer Rolle als Kontrollinstanz der Mächtigen wahrnehmen, wenn es keine Hinweisgeber mehr für investigative Recherche gibt? Dass der ebenfalls angeklagte Journalist Edouard Perrin freigesprochen wurde, ändert nichts an der Tatsache: Der Schuldspruch für Antoine Deltour und Raphael Halet ist auch ein Angriff auf die Pressefreiheit. Denn er untergräbt die Möglichkeiten zu investigativer Recherche.

Auf der Anklagebank saßen die Falschen. Was kein Wunder ist. Denn angestrengt hatte den Prozess die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers, PwC. Weil Deltour und Halet die dubiosen Steuervermeidungspraktiken öffentlich gemacht hatten. Mit denen hatte PwC viel Geld verdient und seinen Klienten viel Geld gespart - auf Kosten der Allgemeinheit, vor allem in den Nachbarländern. Denen sind Steuereinnahmen von mehreren Hundert Milliarden Euro entgangen. Über Jahre hatte PwC wie ein Sekretariat der luxemburgischen Finanzbehörde agiert. Die Zusammenarbeit lief so gut, dass PwC auf Briefpapier der Steuerverwaltung die Bescheide seiner Kunden schon einmal selbst vorfertigte. Das erklärt auch, wie der zuständige Finanzbeamte Marius Kohl an einem einzigen Spitzentag nicht weniger als 54 der umstrittenen Steuervorbeischeide, sogenannte "Tax-Rulings" abfertigen konnte - weswegen er in der Branche den Spitznamen "Mr. Ruling" trug.

von Hein Matthias Kommentarbild App
DW-Redakteur Matthias von Hein

Whistleblower brauchen Schutz

Dass der Urteilsspruch fiel, während im gut 200 Kilometer entfernten Brüssel die Spitzen der Europäischen Union über die Zukunft der Gemeinschaft nach dem Brexit berieten, ist Ironie der Geschichte. Wenn diese Union eine Zukunft haben will, dann muss sie transparent werden, gerecht werden, bürgernäher werden. Dann muss mit klaren Worten und Taten dem weit verbreiteten Unbehagen entgegengearbeitet werden, die EU sei eine Gemeinschaft vor allem für Großunternehmen und einflussreiche Lobbyverbände. Umfassende Freisprüche in Luxemburg hätten ein Signal in diese Richtung sein können.

Jetzt muss sichergestellt werden, dass sich ein Prozess wie der gegen Deltour, Halet und Perrin nicht wiederholen kann. Wir brauchen Whistleblower. Deswegen sollten wir sie schützen, anstatt sie zu bestrafen. Wer Unrecht aufklärt, sollte dafür keine persönlichen Risiken eingehen müssen. Ein europäisches Gesetz zum Schutz von Whistleblowern muss das sicher stellen.

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Matthias von Hein
Matthias von Hein Autor mit Fokus auf Hintergrundrecherchen zu Krisen, Konflikten und Geostrategie.@matvhein