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Aufmerksamkeit um jeden Preis

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Miodrag Soric
27. August 2015

Der Mord vor laufender Kamera an zwei Journalisten in den USA sorgt weltweit für Bestürzung. Es ist mehr als nur die Tat eines frustrierten Narzissten - und könnte weite Kreise ziehen, mahnt Miodrag Soric.

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Trauer um ermordete Journalisten in Virginia, USA
Bild: Reuters

Das Kalkül des zornigen Journalisten ging auf: Millionen von Menschen weltweit konnten sehen, was er tat. Sie beobachteten auf Facebook, Twitter und in den Fernsehsendern die Ermordung der Reporterin Alison Parker und ihres Kameramanns Adam Ward. Der Täter hatte erreicht, was er wollte: Berühmt sein, Aufmerksamkeit erregen, wenn auch nur für ein paar Stunden. Er wollte, dass die Welt über ihn spricht, über seine Tat diskutiert, über sein Motiv spekuliert. Um beachtet zu werden, war er bereit einen schrecklichen Preis zu zahlen: Die Ermordung von unschuldigen Journalisten und das Ende des eigenen Lebens. Welch krankhafter Narzissmus. Und doch ist dieser - in Zeiten der Selbstvermarkung durch das Internet - leider weit verbreitet. Besonders in den USA.

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DW-Korrespondent Miodrag Soric

"Du bist, was Du zeigst", wie die Marketingprofis es formulieren. Mit anderen Worten: "Wenn Du Dich nicht zeigst, existierst Du nicht." Dieser Logik folgt übrigens auch der amerikanische Wahlkampf. Je schriller, desto besser.

Die etablierten Medien sind gut beraten, wenn sie sich dieser Logik verweigern. Wenn sie einordnen, statt zu skandalisieren. Wenn sie Voyeurismus konsequent ablehnen. Denn natürlich ist es Unfug, dass Bekanntheit, also das äußere Leben, zum Maßstab aller Dinge wird. Das eigentliche Leben ist ein inneres. Man muss nicht gläubig sein, um das zu erkennen.

Der Täter war - wie einer seiner Kollegen es formulierte - ein unglücklicher Mensch. Jemand, der vom Ruhm vor der Kamera träumte. Die Verbannung vom Bildschirm nagte an seinem Herzen, zerstörte seinen moralischen Kompass.

Vielleicht wären die Folgen weniger schlimm, wenn er es schwerer gehabt hätte, sich eine Waffe zu besorgen. In den USA, besonders aber in Virginia, bedarf es keiner großen Mühe, eine halbautomatische Pistole zu kaufen. Einige werden dies nun wieder mal beklagen, etwa liberale Politiker. Sie wollen die Waffengesetze verschärfen. Ich gehe jede Wette ein, dass - wie bislang auch - genau das nicht passieren wird. Die Waffenlobby ist mächtig genug, um gegenzuhalten. Die meisten demokratischen und republikanischen Abgeordneten werden sich schon bald wieder in den Wahlkampf stürzen. Und dann ist jede Spende willkommen - auch wenn sie von der Waffenlobby kommt.

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