Überflüssig und teuer
1. März 2007Über den Charakter der neuen europäischen Behörde für Grundrechte, die am Donnerstag (1.3.07) offiziell gegründet wird, kann man lange streiten. Ist sie ein notweniger scharfer Wachhund oder eher ein zahnloser Papiertiger? Über diese Frage streiten die Experten schon seit 1998, als die Diskussion um die Grundrechte-Agentur begann. Aber eines ist sicher: Die neue Behörde ist überflüssig und teuer. Die Aufgaben, die ihr jetzt zugedacht werden, erledigen andere Stellen in Europa bereits heute.
Da ist zum einen der Europarat in Strassburg, dessen Zweck es ist, über die Einhaltung der Menschenrechte nicht nur in der EU, sondern in ganz Europa zu wachen. Die europäische Menschenrechtskonvention, auf die sich jeder Bürger berufen kann, wird seit Jahrzehnten vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wirkungsvoll geschützt.
Nicht ohne Grund hat sich der Europarat lange gegen die Grundrechte-Agentur gesträubt. Da ist zum anderen der Europäische Gerichtshof (EuGH), also das höchste Gericht der Europäischen Union in Luxemburg. Es hat in jahrzehntelanger Rechtssprechung ebenfalls einen wirksamen Schutz von Grundrechten ausgeprägt. Alle EU-Staaten garantieren die individuellen Grundrechte in ihren jeweiligen Verfassungen. Die Durchsetzung wird von nationalen Gerichten überwacht.
Hauptsächlich Statistiken
Alles, was die neue Behörde in Wien jetzt noch oben draufsetzen kann, ist ein jährlicher Bericht über Verstöße gegen Grundrechte in der EU. Weder können sich Bürger aber direkt mit Beschwerden an die Behörde richten, noch darf die neue Agentur über Justiz und Polizei der Mitgliedsstaaten berichten. Die Beamten werden also hauptsächlich Statistiken anfertigen und vorhandene Daten aus den Mitgliedsstaaten zusammentragen. Auf Antrag des europäischen Parlaments kann das Amt ein Gutachten darüber abgeben, wie sich neue Gesetze auf die Grundrechte auswirken werden.
Im Grunde wird die aufgeplusterte Agentur das tun, was die alte Beobachtungsstelle in Wien seit 1998 tut, nämlich Berichte über Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus in der EU anfertigen. Das ist eine sinnvolle Aufgabe. Ob diese Aufgabe aber fern von Brüssel in Wien mit 100 Beamten für 24 Millionen Euro im Jahr erledigt werden muss, darf doch sehr bezweifelt werden. Es hätte auch gereicht, ein solche Stelle beim zuständigen Justiz- und Innenkommissar der EU in Brüssel anzusiedeln. Die wäre weniger pompös, würde aber wohl das gleiche Ergebnis zeitigen.
Der neue Balkan
Neu ist lediglich, dass sich die Wiener Grundrechtsbeamten jetzt auch um EU-Beitrittskandidaten etwa auf dem Balkan kümmern sollen. Doch auch diese Länder sind bereits allesamt Mitglied im Europarat und haben die einschlägigen Bedingungen zu erfüllen. Ohne Einhaltung der Grundrechte gibt es nämlich keinen Beitritt zur EU. Das wird jährlich von der EU-Kommission in ihren Fortschrittsberichten ohnehin überprüft. Die Grundrechte-Agentur, die nicht umsonst zwischen den Mitgliedsstaaten jahrelang umstritten war, mag lautere Ziele verfolgen, überflüssig ist sie trotzdem.