Ein Projekt der Komischen Oper Berlin
19. April 2011Sie waren zum ersten Mal in der Oper: Frauen, die aus der Türkei und dem Libanon stammen und heute in Berlin leben. Dass sie "Die Rote Zora" gesehen haben, verdanken sie ihren Kindern. Beziehungsweise deren Lehrern und Lehrerinnen, die mit der Klasse und interessierten Eltern in die Vorstellung gegangen sind, nachdem sie an einem einführenden Workshop teilgenommen haben.
Spielerische Annäherung
Dort wurden die Kinder spielerisch in die Geschichte von der "Roten Zora" eingeführt. Denn die Vorlage der Oper, den Kinderbuchklassiker von Kurt Held, kennen längst nicht alle. Er spielt in Kroatien und erzählt von Zora, dem Mädchen mit den roten Haaren, das den Waisenjungen Branko in ihre Bande mittelloser Kinder aufgenommen hat. Gemeinsam kämpfen sie nun ums Überleben und gegen die allgemeine Verachtung. Aus der Gegend, in der diese Geschichte spielt, kommt der sogenannte Schlangentanz. Das erzählt Workshop-Leiter Tobias Reiser den Kindern. Und dann bittet der Musikpädagoge sie, sich hintereinander aufzustellen, die Hände auf die Schulter des Vordermannes oder der Vorderfrau zu legen und sich in Bewegung zu setzen, sobald die Musik erklingt. Los geht es, und die Kinderschlange kichert.
So tanzen sie sich hinein in die Geschichte der "Roten Zora", in der es um Gerechtigkeit geht, um Sicherheit, um Ängste und die Frage, was man darf und was man besser lassen sollte. Sie lernen zu kämpfen, ohne sich zu verletzen, so, wie es die Darsteller auf der Bühne machen. Sie interpretieren die einzelnen Figuren und formen aus ihren Körpern deren Abbild. Die Zeit verfliegt, alle machen mit, ein bisschen reserviert zunächst, dann immer selbstverständlicher und ganz gelöst.
Kunst und Leben
Sie möchten eine Beziehung herstellen zwischen dem Leben der Kinder und dem Geschehen auf der Bühne, sagt Anne-Kathrin Ostrop, die für die theaterpädagogische Arbeit an der Komischen Oper verantwortlich ist. Wenn man versucht, die Kinder in die Geschichte zu verwickeln, "dann interpretieren die Schüler eine Geschichte, ein Werk aus ihrer Lebenserfahrung heraus. Oper wird da quasi auf den Prüfstand genommen. Ins Leben geholt". Und das funktioniere eigentlich immer.
Vor gut sechs Jahren hat das Haus gezielt damit begonnen, Hemmschwellen abzubauen und Menschen, die nicht zu den traditionellen Operngängern gehören, an das Musiktheater heranzuführen. Besonders viel Zuspruch erfährt dabei das Angebot für Kinder und Jugendliche - mit Kinderopern und –konzerten sowie den von Anne-Katrin Ostrop entwickelten Workshops.
Miteinander in Kontakt kommen
Viele Kinder, die in Berlin leben, haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Bei den unter Sechsjährigen sind es bereits 40 Prozent. Nicht immer haben ihre Familien eine Beziehung zum Angebot der deutschen Bühnen und Kultur, manchmal haben sie einfach auch nur Berührungsängste. In der Komischen Oper weiß man dank der Workshops mittlerweile, dass die sich ziemlich schnell abbauen lassen. Eine unglaubliche Dankbarkeit sei gerade bei den deutsch-türkischen Teilnehmern zu spüren, sagt Anne-Katrin Ostrop. Weil man sich auf Augenhöhe begegnet. Und weil es einfach nur darum geht, miteinander in Kontakt zu kommen. Über die Kunstform Oper.
Mit Beginn der nächsten Spielzeit will sich die Komische Oper nun noch stärker mit den zahlreichen in der Stadt lebenden Deutsch-Türken vernetzen. Sie sollen gezielt umworben werden, die Uraufführung einer ersten deutsch-türkischen Oper ist in Planung. Und auf Wunsch können sämtliche Vorstellungen des Hauses demnächst auch in türkisch verfolgt werden. Damit wirklich alle das Erlebnis Oper ohne Einschränkungen genießen können.
Autorin: Silke Bartlick
Redaktion: Aya Bach