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Koloniales Erbe: Erster Leitfaden für Museen

Torsten Landsberg
14. Mai 2018

Eine Handlungsempfehlung soll deutschen Museen beim Umgang mit Kulturgütern aus der Kolonialzeit helfen. Kulturstaatsministerin Grütters hat klare Vorstellungen, wie sich Museen bei Rückgabeforderungen verhalten sollen.

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Staatsministerin für Kultur und Medien - Monika Grütters
Bild: picture alliance/dpa/K. Nietfeld

Die Provenienzforschung habe "höchste politische Priorität", sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (Artikelbild oben) am Montag bei der Vorstellung des Leitfadens des Deutschen Museumsbundes. Die aktive Erinnerungskultur habe zum Ansehen Deutschlands in der Welt beigetragen. Die Kolonialzeit sei dabei jedoch "viel zu lange ein blinder Fleck" gewesen. Sie sei Voraussetzung für Versöhnung und Verständigung.

Der "Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten" richtet sich an die deutschen Museen, denen er beim "verantwortungsvollen Umgang" mit entsprechenden Objekten bei der Museums- und Sammlungsarbeit helfen soll. Dazu zählt die Einordnung von Exponaten in drei Kategorien: Objekte aus formalen Kolonialherrschaften, Objekte aus kolonialen Kontexten außerhalb formaler Kolonialherrschaften sowie Rezeptionsobjekte aus kolonialen Kontexten.

Zusammenarbeit statt Rückgabe

"Die Zugehörigkeit in eine der Kategorien ist lediglich ein Hinweis darauf, dass Sensibilität und genaue Prüfung geboten sind", sagte die Leiterin der Arbeitsgruppe zur Erarbeitung des Leitfadens, Wiebke Ahrndt. Besonders wichtig sei die Provenienzforschung, die nicht erst nach einer Rückgabeforderung aus einem Herkunftsland beginnen dürfe, sondern "laufend und proaktiv" betrieben werden müsse.

Eckart Köhne, Präsident Deutscher Museumsbund
Eckart Köhne, Präsident des Deutschen MuseumsbundesBild: Badisches Landesmuseum/Foto: Uli Deck

Das in letzter Zeit auch mit Blick auf die Eröffnung des Humboldt-Forums in Berlin emotional diskutierte Thema der Rückgabe von Objekten aus der Kolonialzeit kühlte Ahrndt etwas ab: Selbst beim Verdacht auf einen kolonialen Kontext werde aus den Herkunftsländern häufig nicht die Rückgabe eines Objekts gefordert. "Wichtiger sind ihnen die Zusammenarbeit und der Austausch." Eine zentrale Rolle spiele dabei die Digitalisierung der Bestände, die für die Forschungsarbeit häufig wichtiger sei als der Gegenstand selbst. Einer möglichen Rückgabe von Exponaten müsse immer ein Rechtsanspruch zugrunde liegen, betonte Ahrndt.

Leitfaden soll rezensiert und kommentiert werden

Aus Sicht des Präsidenten des Deutschen Museumsbundes, Eckart Köhne, waren die Museen auf die Debatte über Sammlungsgut aus der Kolonialzeit nicht vorbereitet. "Wir hoffen, dass wir die deutschen Museen erstmal für das Thema sensibilisieren", sagte Köhne der Deutschen Welle mit Blick auf den Leitfaden. Dieser soll den Vertretern der Herkunftsgesellschaften "kompetente Ansprechpartner und ein offenes Ohr" in Deutschland bieten.

Der 130 Seiten umfassende Leitfaden ist auch online abrufbar, in den kommenden Tagen sollen englische und französische Übersetzungen folgen. Köhne hofft auf eine internationale Diskussion. Der Leitfaden könne rezensiert und kommentiert werden, insbesondere aus afrikanischen Ländern. Die Ergebnisse sollen in eineinhalb Jahren in eine zweite Version der Handlungsempfehlung aufgenommen werden. Verbindlich ist der nun vorgelegte Leitfaden für die Museen allerdings nicht.

Das Humboldt-Forum in der Sonne
Hat die Debatte über die Provenienz von Kulturgütern befeuert: das Humboldt-Forum in BerlinBild: DW/K. Schmidt

Grütters: "Raubkunst muss zurück gegeben werden"

"Die afrikanischen Herkunftsgesellschaften, die nicht mit den heutigen Staaten gleichzusetzen sind, können sehen, wie ernsthaft Deutschland sich der Frage stellt", sagte Kulturstaatsministerin Grütters der Deutschen Welle. "Wie gehen wir mit den Beständen um, wie macht man Provenienzforschung, wie kommen wir zu einer umfassenden Digitalisierung, damit der Zugang zu unseren Beständen auch möglich ist, wenn man nicht hier her reisen kann?"

Das Humboldt-Forum, das Ende 2019 in Berlin eröffnen soll, hat die Debatte nach Grütters' Ansicht befeuert: "Wir haben diese Kulturgegenstände ja schon seit vielen Jahrzehnten ausgestellt. Das neue Interesse an den Herkunftsgeschichten hat sicher etwas damit zu tun, dass diese spektakulären Kulturgüter jetzt in die Mitte der deutschen Hauptstadt kommen. Ich bin froh über die Neugierde des Publikums an den Herkunftsgeschichten." Eine klare Vorstellung hat die Kulturstaatsministerin davon, wie sich Museen bei Rückgabeforderungen verhalten sollen: "Raubkunst muss zurückgegeben werden." Bei allen anderen Exponaten lohne es sich, die Herkunfts- und Erwerbsumstände zu erforschen und transparent darzustellen.