1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Kofler gegen "Hierarchie" der Menschenrechte in China

Hans Spross
14. Dezember 2018

Beim jüngsten Menschenrechtsdialog habe es "deutliche Meinungsverschiedenheiten" zwischen Deutschland und China gegeben, berichtet Menschenrechtsbeauftrage Bärbel Kofler. Positiv sei, dass der Dialog fortgeführt werde.

https://p.dw.com/p/3A6FE
Deutschland Bärbel Kofler Menschenrechtsbeauftragte
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Deutsche Welle: Welche Themen standen im Mittelpunkt des deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialogs?

Bärbel Kofler: Wir haben eine ausführliche Diskussion über zahlreiche grundsätzliche menschenrechtliche Fragestellungen geführt. Dabei ging es etwa um die Universalität von Menschenrechten oder die Bedeutung bürgerlicher, politischer ebenso wie wirtschaftlicher und sozialer Menschenrechte. Da ich im Vorfeld große Besorgnis über die Lage der Uiguren in Xinjiang geäußert habe, wurde die Diskussion zu diesem Thema zu einem Schwerpunkt des diesjährigen Menschenrechtsdialogs.

Und da der Dialog in Lhasa stattfand und die Lage in Tibet ähnlich beunruhigend ist, wurde auch Tibet sehr ausführlich diskutiert. Im Rahmen dieser beiden Schwerpunkte habe ich einige besorgniserregende Einzelfälle und die Beschneidung von Presse- und Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit oder die Teilhabe der Zivilgesellschaft, die Todesstrafe und den begrenzten Zugang für ausländische Journalisten und Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen angesprochen.

Ich bin überzeugt, dass man durch repressive Maßnahmen erst ein Klima riskiert, in dem Konflikte nicht friedlich und fair gelöst werden können und dann eskalieren.

Hat auch die chinesische Seite Menschenrechtsthemen auf die Tagesordnung gesetzt?

Ja, die chinesische Seite hat insbesondere Interesse an Kooperation, unter anderem im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf, im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Rechte gezeigt. In einer Generation schafften in China mehrere hundert Millionen den Sprung aus der Armut. Allerdings können nicht alle von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren. Ich denke da etwa an die Wanderarbeiter und ethnischen Minderheiten.

Zwar hat sich die chinesische Regierung grundsätzlich zum Menschenrechtsrat bekannt, es ist jedoch aus meiner Sicht höchst problematisch, dass China eine "Hierarchie" der Menschenrechte sieht: zuerst kämen die wirtschaftlichen Rechte und um bürgerliche und politische Freiheiten könne man sich zu einem späteren Zeitpunkt kümmern. Das können wir natürlich nicht mittragen, Menschenrechte sind universell und unteilbar, sie gelten für alle gleichermaßen, da gibt es keine Hierarchie!

Wie würden Sie die Bereitwilligkeit der chinesischen Seite beurteilen, über Menschenrechtsthemen zu sprechen?

Im vergangenen Jahr war der Dialog ausgefallen, da die chinesische Seite öffentliche Statements von deutschen Regierungsvertretern zur Menschenrechtslage in China nicht gutheißt. Wir haben uns daher lange um die Wiederaufnahme des Dialogs bemüht. Die chinesische Seite möchte wie erwähnt eher über Kooperation im Bereich der wirtschaftlichen Rechte sprechen. Über interne Entwicklungen möchte sie eigentlich nicht sprechen, sie hält Fragen dazu für eine inakzeptable Einmischung.

Ich habe daher deutlich gemacht, wie wichtig es aus unserer Sicht ist, sich mit kritischen Fragen von außen zu beschäftigen. Wir verstehen diese als wichtiges Korrektiv.  

Gleichwohl konnten wir letztlich über viele Themen ausführlich sprechen, über Xinjiang zum Beispiel beinahe zwei Stunden. Die Antworten folgten dabei dem bekannten Narrativ, zum Beispiel der erwähnten "Hierarchie" innerhalb der Menschenrechte. Die chinesische Seite hat die Gespräche hart in der Sache, aber in freundlicher Atmosphäre geführt.

Dabei ist es mir wichtig, dass wir bei allen unterschiedlichen Auffassungen, - und ja, die Meinungsverschiedenheiten wurden erneut sehr deutlich - miteinander im Gespräch bleiben. Im kommenden Jahr wollen wir den Dialog dann in Deutschland weiterführen, dazu hat sich die chinesische Seite grundsätzlich bekannt. Das lese ich zunächst einmal als ein gutes Zeichen.

Reporter - Drangsaliert: China und seine Muslime

Sie wollten gerne nach Xinjiang reisen, um sich ein Bild von der Lage dort zu machen. Das hat die chinesische Seite nicht gestattet. Wurde Ihnen ein Besuch zu einem späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt?

Wir haben sehr lange darauf gedrängt, dass meine Delegation und ich im Rahmen des Regionalbesuchs dieses Jahr nach Xinjiang reisen können. Das war mir äußerst wichtig, wurde jedoch nicht gestattet. Ich dränge nun auf einen baldigen Besuch im kommenden Jahr.

Die chinesische Seite gibt an, dass es sich bei den Lagern in Xinjiang nicht um "Umerziehungslager" sondern um "Berufsschulen" handele. Die Angehörigen der uigurischen Minderheit ließen sich dort freiwillig weiterbilden. Sie hätten Zugang zu Familie sowie zu anderen Kontakten. Außerdem hätten sie mit einem Abschluss bessere Berufschancen. Die Anzahl der "Auszubildenden" sei zudem nur sehr gering.

Allerdings konnte man uns nicht erklären, weshalb die chinesische Führung bis Ende Oktober die Existenz der Lager bestritten hatte und bis heute keine Besuche unabhängiger Beobachter zulässt. Die offizielle Version Chinas steht auch in deutlichem Widerspruch zu den Berichten, die uns Menschenrechtsorganisationen und Exil-Uiguren vorlegten.

2018 Tibet Sage Dawa Festival
Ein buddhistischer Kloster in TibetBild: Franco Yu

Hier ist von etwa einer Million Menschen die Rede, die ohne Außenkontakt in Lagern indoktriniert würden. Auch gibt es Berichte über teils schwerste Misshandlungen. Dabei bleibt es oft unklar, nach welchen Kriterien die Internierung erfolgt. Eine gerichtliche Überprüfung ist nicht möglich.

Der diesmalige Dialog fand in Tibet statt. Sehen Sie darin eine symbolische Ortswahl?

Nachdem eine Reise nach Xinjiang nicht zugelassen wurde, haben wir das Angebot, nach Tibet zu reisen, angenommen. Zu Tibet erreichen mich immer wieder besorgniserregende Berichte; der Zugang zu Tibet - das wurde mir auf meiner Reise mehrmals bestätigt - ist äußerst limitiert. Auch europäische Diplomaten können nicht einfach so nach Tibet reisen. Insofern empfand ich die Einladung dorthin durchaus als ein positives Signal. Ich habe daher aber auch bei jeder Gelegenheit vor Ort dazu ermutigt, mehr Offenheit und Transparenz zu zeigen, und ausländische Besucher, ob Wissenschaftler, Journalisten, politische Delegationen oder Touristen, nach Tibet zu lassen.

Konnten Sie etwas über die Lage in Tibet erfahren?

Ich hatte den Wunsch geäußert, aufs Land zu fahren und zum Beispiel auch ein Gefängnis zu besuchen, in der Hoffnung, ein wenig mehr über die wahren Verhältnisse vor Ort zu erfahren. Letztlich wurde uns vorgeschlagen, zahlreiche Kulturgüter, eine religiöse Pilgerstätte, eine Schule und eine ehemalige Bauernfamilie zu besuchen.

Dieses Programm sollte sicherlich Normalität und einen Erfolg der wirtschaftlichen Entwicklungspolitik Chinas signalisieren. Gleichwohl war natürlich alles von chinesischer Seite organisiert und durchgehend begleitet. Insofern war der Einblick in die dortigen Verhältnisse sehr begrenzt.

Das Interview führt Hans Spross.

Bärbel Kofler ist Mitglied des Deutschen Bundestages und seit 2016 Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe.