Klimakrise: Jugendliche klagen Europa an
30. November 2020Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat eine außergewöhnliche Klage von sechs jungen Portugiesinnen und Portugiesen angenommen: Sie werfen 33 europäischen Staaten vor, die Klimakrise verschärft zu haben und damit die Zukunft ihrer Generation zu gefährden. Sie erhoffen sich daraus, dass der EGMR sie zu wirksamen Maßnahmen gegen die Erderwärmung verpflichtet.
Neben den 27 EU-Mitgliedsstaaten handelt es sich um Norwegen, Großbritannien, Russland, die Türkei, die Schweiz und die Ukraine. Das Straßburger Gericht gibt den Regierungen nun bis Ende Februar Zeit, um sich zu den Vorwürfen zu äußern. Der EGMR teilte mit, wegen der Wichtigkeit und Dringlichkeit der aufgeworfenen Fragen werde man der Beschwerde Priorität einräumen.
Angst vor krankem Planeten
Anlass der Aktion der sechs jungen Portugiesen aus Leiria und Lissabon waren die verheerenden Waldbrände von 2017 in ihrem Heimatland, bei denen 110 Menschen ums Leben kamen. "Es gibt mir viel Hoffnung zu wissen, dass die Richter im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die Dringlichkeit unseres Falles erkennen", sagte der zwölfjährige André Oliveira. Er und seine Mitstreitenden werden vom Global Legal Action Network (GLAN) unterstützt. Die Nichtregierungsorganisation bezeichnete die Entscheidung des Gerichts als "wichtigen Schritt in Richtung eines möglichen wegweisenden Urteils zum Klimawandel". Die meisten Klagen erreichten dieses Stadium erst gar nicht, weil sie vorher abgewiesen würden, hieß es.
"Ich habe große Angst davor, auf einem kranken Planeten leben zu müssen", zitiert die Nachrichtenagentur dpa aus einem im September geführten Interview mit der achtjährigen Mariana Agostinho. Sie ist die jüngste Klägerin, die älteste ist 21.
Ziele für die nächsten 80 Jahre in weiter Ferne
Die internationale Gemeinschaft hatte sich 2015 in Paris zu Maßnahmen bekannt, die in ihrer Gänze dafür sorgen sollen, dass sich das Weltklima bis 2100 um höchstens 1,5 bis zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter erwärmt. Wissenschaftler warnen jedoch, die seitdem ergriffenen Maßnahmen reichten bei weitem nicht aus. Wenn sich nichts ändert, sagen Prognosen einen Anstieg der Durchschnittstemperaturen um drei Grad bis 2100 voraus. Jedes Jahr mit zu hohen Treibhausgasemissionen trägt außerdem dazu bei, dass später getroffene Maßnahmen umso strenger sein müssen.
2020 wird voraussichtlich das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Einige direkte Folgen der Erderwärmung wie das Schmelzen des Polareises und der damit verbundene Anstieg der Meeresspiegel bedrohen bereits heute die Lebensräume zahlloser Menschen und Tiere.
ehl/uh (dpa, afp)