Sprachunterricht für Kleinkinder wird immer beliebter. Eltern möchten ihren Nachwuchs auf die globalisierte Welt vorbereiten und sehen den Schlüssel dazu in der Mehrsprachigkeit. Aber der Erfolg der Kurse ist umstritten.
"Ich habe mit 15 Kindern angefangen. Mittlerweile sind rund 150 Kinder in meinen Kursen", erzählt Mary Anne Philippakis. In ihrer Frankfurter Sprachschule macht sie Kleinkinder zwischen drei und 24 Monaten mit dem Englischen vertraut. Einmal pro Woche hören sie jeweils eine Stunde lang, wie die gebürtige US-Amerikanerin in ihrer Muttersprache mit ihnen spricht oder ihnen englische Kinderlieder vorspielt.
Immer mehr Eltern sind der Meinung, dass solche Kurse eine gute Voraussetzung für die spätere Karriere ihrer Kinder sind. Die Kursleiterin ist vom Erfolg ihrer Kurse überzeugt. Sie sagt: "Je früher man mit einer Fremdsprache anfängt, desto einfacher ist es für das Kind". Und da man an deutschen Schulen eher spät mit der ersten Fremdsprache beginnt, ist es ihrer Ansicht nach sinnvoll, wenn Eltern schon früher die Initiative ergreifen.
Die positive Wirkung von Sprachkursen im Krabbelalter ist wissenschaftlich allerdings nicht bewiesen, wie die Sprachwissenschaftlerin Petra Schulz zu bedenken gibt. Sie erforscht am Frankfurter Institut für Psycholinguistik, wie Kinder Sprachen lernen, und warnt vor zu hohen Erwartungen. Solange die Kleinen nur einmal wöchentlich mit einer fremden Sprache in Kontakt kommen und diese in ihrem Alltag keine Rolle spielt, ist der Lernerfolg nach den Erfahrungen von Petra Schulz minimal.
In diesen Fällen vertritt sie eine klare Position: "Es schadet nicht, aber es nützt auch nichts." Allerdings sind viele Eltern überzeugt, dass die Sprachkurse ihren Kindern zumindest ein besseres Gefühl für sprachliche Melodien und Rhythmus vermitteln können.
Glossar
Kleinkind, das – ein Kind, das ungefähr ein bis zwei Jahre alt ist
Nachwuchs, der – hier: die Kinder
globalisierte Welt, die – die Welt mit vielen internationalen Verbindungen in Wirtschaft, Politik, Kultur usw.
der Schlüssel zu etwas sein – der Grund dafür sein, dass etwas funktioniert oder erfolgreich ist
Mehrsprachigkeit, die – die Fähigkeit, mehrere Sprachen zu sprechen
etwas ist umstritten – etwas ist so, dass es verschiedene Meinungen darüber gibt
mittlerweile – in der Zwischenzeit; inzwischen; jetzt
jemanden mit etwas vertraut machen – dafür sorgen, dass jemand etwas kennt und besser versteht
gebürtig – geboren in
der Meinung sein – meinen; finden
Karriere, die – der erfolgreiche Berufsweg
Krabbelalter, das – das Alter, in dem ein Kind krabbelt, sich also auf Händen und Knien über den Boden bewegt
etwas zu bedenken geben – darauf hinweisen, dass man etwas berücksichtigen sollte
Psycholinguistik, die – der Teil der Sprachwissenschaft, der erforscht, wie der Mensch Sprachen lernt und verarbeitet
mit etwas in Kontakt kommen – hier: etwas kennenlernen
keine Rolle spielen – nicht wichtig sein
minimal – sehr wenig; sehr gering
eine Position vertreten – öffentlich eine Meinung zu etwas haben
jemandem etwas vermitteln – dafür sorgen, dass jemand etwas versteht oder lernt
Fragen zum Text
1. Die Anzahl der Kinder in den Sprachkursen von Mary Anne Philippakis …
a) … hat abgenommen.
b) … hat sich verdoppelt.
c) … hat stark zugenommen.
2. Die Kinder in ihren Kursen sind höchstens …
a) … ein Jahr alt.
b) … zwei Jahre alt.
c) … drei Jahre alt.
3. Sprachwissenschaftler glauben nicht an den Erfolg von Kursen mit einer Unterrichtsstunde pro Woche, denn …
a) … die fremde Sprache hat in der übrigen Zeit keine Bedeutung im Leben der Kinder.
b) … Kinder können eine Sprache nur von Geburt an oder später im Schulalter gut lernen.
c) … Kleinkinder können eine Sprache nur von ihren Eltern gut lernen.
4. Kinder, die früh eine Fremdsprache lernen, … es später im Beruf leichter haben.
a) dürfen
b) können
c) müssen
5. Eltern schicken ihre Kleinkinder zu Sprachkursen, weil sie ihnen etwas Gutes tun ...
a) sollen
b) können
c) möchten
Arbeitsauftrag
Findet ihr es sinnvoll, seine Kleinkinder zu einem Sprachkurs zu schicken? Wie kann es dem Kind nützen? Oder sollte man die Zeit und das Geld für solche Kurse lieber anders verwenden? Diskutiert über eure eigenen Ansichten und Erfahrungen zum Thema Sprachenlernen.
Autoren: Bianca von der Au/Till Schumacher
Redaktion: Ingo Pickel