Kids lieben es altmodisch
11. August 2015Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!
Im Juli lösten ein Artikel der "New York Times" und eine PBS-Dokumentation in den USA eine neue Debatte über die Folgen übermäßigen digitalen Medienkonsums aus. Das Stichwort ist "Screen Addiction", also Bildschirmsucht. Kids und Teenager würden stundenlang vor einem Bildschirm sitzen und dabei vergessen zu essen, zu schlafen oder ins Bad zu gehen. Die reale Welt werde von ihnen als "Fake" wahrgenommen, schreibt die NYT-Autorin Jane E. Brody. In China gibt es inzwischen Entzugskliniken, so wird berichtet. Kinderärzte warnen vor langfristigen Schäden. Und in Deutschland? Da scheint die Welt noch in Ordnung zu sein.
Seit 20 Jahren lässt der Verlag Egmont Ehapa Media untersuchen, womit in den Kinderzimmern Deutschlands gespielt wird. Eine zentrale Erkenntnis der neuesten "Kids-Verbraucher-Analyse" lautet: Die vor zehn Jahren mit der digitalen Revolution aufgekommene Angst, digitales Spielzeug würde das klassische Spielzeug verdrängen, sei verfrüht gewesen, sagte Studienleiter Ralf Bauer bei der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin. Plüschtiere, Bauklötze, Brett- und Kartenspiele: "Es bleibt klassisch in den Kinderzimmern", so Bauer. Bei der untersuchten Gruppe der 6 bis 13-Jährigen besitzen 80 Prozent solche Spielsachen und nutzen sie auch. Die Zahlen würden sogar steigen. Kinder wollten schließlich etwas anfassen, kreativ sein und etwas schaffen, was sie anderen zeigen können, sagte Bauer.
Lesen weiterhin sehr beliebt
Ein Schwerpunkt der nach eigenen Angaben repräsentativ durchgeführten Studie der fast sechs Millionen deutschsprachigen Kinder ist deren Leseverhalten. Der Verlag erhofft sich dadurch Hinweise auf sein eigenes Angebot an Kinderliteratur - ganz unabhängig ist die Studie also nicht. Dennoch sind allgemeine Trends daraus ablesbar. Und einer dieser Trends lautet: "Bücher sind en vogue und relevant", sagte Verlagsgeschäftsführer Klaus-Thorsten Firnig. Für 73 Prozent der Mädchen und 65 Prozent der Jungen ist laut Studie Lesen eine beliebte Freizeitbeschäftigung - und zwar auf Papier. E-Books werden nur von 12 Prozent gelesen, die Zahl sinkt sogar im Jahresvergleich.
Besonders beliebt sind auch - das wird den Verlag, der damit Geld verdient, freuen - Kinderzeitschriften. "Micky Maus", Disneys "Lustiges Taschenbuch" aber auch naturwissenschaftliche Angebote wie "GEOlino" haben eine hohe Reichweite. Die Liste der Zeitschriften aber enthält ausdrücklich nicht nur Titel des eigenen Verlags, betonten die Autoren, um ein umfassendes Bild zu bekommen.
Vorsichtige Eltern
Woran liegt es, dass die digitalen Welten die Kinderzimmer derzeit nicht überfluten? Die Studie gibt mögliche Erklärungen. Zum einen habe ein Drittel der 6- bis 9-Jährigen gar keinen Zugang zu Bildschirmen. Ein eigenes Tablet sogar haben nur die wenigsten der Kinder bis 13 Jahren - nämlich sieben Prozent. Außerdem sei der "Schutzfaktor der Eltern hoch", so Klaus-Thorsten Firnig. Von vorsichtigen Eltern würden Schutzzonen eingerichtet. Das heißt, die Kinder dürfen nur bestimmte Webseiten besuchen, eine begrenzte Zeit online gehen oder dürfen das nur, wenn auch Papa oder Mama dabei sind.
Allerdings hatten 31 Prozent der befragten 6 bis 9-Jährigen und 80 Prozent der 10 bis 13-Jährigen ein Mobiltelefon. Jeder zweite spielt darauf auch Spiele auf. Diese Welt ihrer Kinder dürfte sich wohl den meisten Blicken der Eltern entziehen. Ein Mangel der Studie: Sie hat nicht untersucht, wie viele Stunden die Kids vor ihrem Handy-Screen verbringen.
Milch trinken und sparen
Insgesamt betrachtet scheinen die Kids recht vernünftig mit dem großen Medien-Angebot umzugehen. "Vernünftiges Verhalten" scheint auch in anderen Bereichen beliebt zu sein, wie die Studie zeigt: In den letzten Jahren hat demnach Mineralwasser den oft überzuckerten Fruchtsaft oder Cola und Limonade bei den Hauptgetränken überholt. Gefolgt übrigens von der altmodischen Milch, die von 78 Prozent (fünf Prozent mehr als im Vorjahr) täglich oder mehrmals in der Woche getrunken wird. "Entgegen dem schlechten medialen Ruf, den Milch derzeit wegen der Diskussion um Laktose-Unverträglichkeiten genieße", so Studienleiter Bauer.
Außerdem seien auch die Kids - typisch deutsch - fleißige Sparer. "Das ist wohl in den Genen so angelegt", sagte Bauer mit einem Schmunzeln. Das durchschnittliche Sparguthaben betrage 738 Euro. 60 Prozent sparen ihr Geld, das sie von Verwandten zum Geburtstag oder zu Weihnachten bekommen haben. Das monatliche Taschengeld habe sich über die letzten Jahre bei rund 27 Euro eingependelt. Wird es nicht gespart, dann kaufen sich die Kids am liebsten Süßigkeiten davon oder aber etwas zum Lesen.