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Keine Lust auf Politik

Filip Slavkovic / kas14. Oktober 2002

Die Stichwahl eines neuen Präsidenten der jugoslawischen Teilrepublik Serbien ist am Sonntag (13.10.02) wegen zu niedriger Beteiligung gescheitert.

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Der Wahlkampf geht weiterBild: AP

Zur offiziellen Schließung der Wahllokale um 20.00 Uhr Ortszeit hätten nur 45,5 Prozent der 6,5 Millionen registrierten Wähler ihre Stimme abgegeben, teilte die unabhängige Wahlbeobachtergruppe CeSID in Belgrad mit. Damit sei die Mindestbeteiligung von 50 Prozent verfehlt worden. Die Wahl muss nun laut Gesetz wiederholt werden.

Die Wähler waren aufgerufen, sich zwischen dem derzeitigen
jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica und dem
stellvertretenden jugoslawischen Ministerpräsidenten Miroljub Labus zu entscheiden.

Kostunica, der Favorit

Vojislav Kostunica
Yugoslav President Vojislav Kostunica gestures during pre-election rally in downtown Belgrade, Tuesday Sept. 24, 2002. Kostunica urged supporters to vote for him on Serbia's presidential elections, scheduled for Sunday Sept. 29, 2002. (AP Photo/Srdjan Ilic)Bild: AP

Vojislav Kostunica ist derzeit Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien. Noch wenige Monate vor seiner Wahl im September 2000 war er kaum bekannt. Doch dann triumphierte der Jurist über den für unbesiegbar gehaltenen autoritären Amtsinhaber Slobodan Milosevic. Das oppositionelle Bündnis DOS gewann im selben Jahr die Wahlen zum Bundesparlament, kurz darauf auch die vorgezogenen Parlamentswahlen in der größeren jugoslawischen Teilrepublik Serbien.

Kostunica wurde in kürzester Zeit zum Liebling des Volkes. Der dunkelhaarige, groß gewachsene Mann, der stets in klassischen Anzügen auftritt, wirkt zwar oft grimmig, doch hat er sich schnell zum charismatischen Führer der Massen entwickelt. Er sei der einzige Staatschef mit der Verfassung unterm Arm, so schwärmten die westlichen Staatsgäste nach den ersten Gesprächen in Belgrad.

Vom Reformer zum Zögerer

Kostunica geriet aber bald in die Kritik: Monatelang hielt er an den ehemaligen Gefolgsleuten Milosevics in der Armee und den Nachrichtendiensten fest – zum Ärger seiner Koalitionspartner. Erst nach einem halben Jahr schweren Ringens gab er sein Einverständnis zur Auslieferung Milosevics an das Haager Kriegsverbrecher-Tribunal.

Im Sommer 2001 entwickelte sich dann auch sein Konflikt mit dem wichtigsten Partner im Reform-Bündnis, dem einflussreichen serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic. Kostunicas Partei stieg aus der DOS-Koalition aus und begann, die Regierung heftig zu kritisieren: Sie habe Verbindungen mit Mafia-ähnlichen Organisationen, betreibe kriminelle Machenschaften und eine rücksichtslose Privatisierung auf dem Rücken der sozial Schwachen. Diese und weitere Vorwürfe an die Adresse Djindjics hat Kostunica auch in diesem Wahlkampf stets wiederholt.

Der 58-jährige Universitätsprofessor tritt im jetzigen Wahlkampf zudem als Retter der nationalen Interessen auf. Für einen Verbleib der Provinz Kosovo innerhalb Serbiens setzt er sich ebenso ein wie für den Erhalt des Staatsbündnisses mit der kleineren Teilrepublik Montenegro.

Die oppositionellen Nationalisten, deren Kandidaten im ersten Wahlgang insgesamt ein Drittel der Stimmen erhielten, haben bereits zum Boykott der Stichwahl aufgerufen. Kostunica versucht, dagegen zu halten: "Es ist zwar ein legitimes Recht der Parteifunktionäre, zum Boykott aufzurufen. Es ist aber auch ein legitimes Recht der Wähler, zu solchen Aufrufen Stellung zu nehmen. Die Wähler müssen entscheiden, in was für einem Land sie leben und was für eine Zukunft sie aufbauen möchten. Und der Willen der Wähler ist das Wichtigste."

Labus wirbt mit ökonomischem Know-how

Kostunicas Kontrahent Miroljub Labus ist gegenwärtig stellvertretender jugoslawischer Ministerpräsident. Der Wirtschaftsexperte wurde vor zwei Jahren in die neue Bundesregierung gerufen, um das Land nach einem Jahrzehnt Isolation zurück in die internationale Gemeinschaft zu führen. Die erfolgreichen Verhandlungen vor allem mit internationalen Finanzinstitutionen werden ihm zu Gute gehalten, ebenso die sorgfältige Vorbereitung vieler gesetzlichen Reformen.

Präsidentschaftskandidat
Yugoslav Deputy Prime Minister Miroljub Labus smiles during a press conference announcing his candidacy for the Sept. 29 Serbian presidental election, in Belgrade, Monday, July 22, 2002. Background poster reads: "Miroljub Labus President", in cyrillic. (AP Photo/Darko Vojinovic)Bild: AP

Der stets gut gestylte 55-jährige Universitätsprofessor kann also zum einen auf persönliche Erfolge bauen. Aber vor allem hat er ein starkes Team hinter sich: Er ist Mitbegründer der einflussreichen Expertengruppe "G 17 plus", deren führende Mitglieder wichtige Kabinettsposten in Serbiens Regierung inne haben.

Labus ist Mitglied der Partei des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic und dessen Wunschkandidat. Die Unterstützung seiner Partei hat ihm aber nach Ansicht der Meinungsforscher im ersten Wahlgang wenig geholfen. Denn Djindjic gilt als Machtmensch und ist wegen seines Regierungsstils unbeliebt - sowohl bei den Wählern als auch bei seinen Koalitionspartnern im DOS-Bündnis. Einige wichtige Partner haben dem Regierungschef vor der Präsidentschaftswahl den Rücken gekehrt und seinem Präsidentschaftskandidaten die Unterstützung untersagt.