1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EU-Ostpartnerschaft

27. Mai 2010

Nach einem Jahr EU-Ostpartnerschaft zieht Cornelius Ochmann von der Bertelsmann Stiftung Bilanz. Er sieht eine Diskrepanz zwischen den Entwicklungen in der Region und den Erwartungen und Maßnahmen der EU-Kommission.

https://p.dw.com/p/NXZe
Bild: dpa/Montage DW

DW-WORLD.DE: Vor einem Jahr wurde beim EU-Gipfel in Prag für sechs ehemalige Sowjetrepubliken die Östliche Partnerschaft gegründet. Wie fällt die Bilanz aus?

Portrait von Cornelius Ochmann (Foto: DW)
Cornelius OchmannBild: Bertelsmann Stiftung

Cornelius Ochmann: Die Bilanz ist gespalten. Einerseits hat die EU-Kommission endlich gewisse Maßnahmen ergriffen und einen Finanzrahmen zur Verfügung gestellt. Eigentlich ist seitens der EU klar: Wir wollen die Östliche Partnerschaft umsetzen. Auf der anderen Seite haben wir eine demokratische, aber unerwartete Entwicklung in der Ukraine, wo ein Präsident gewählt wurde, der offensichtlich eine wirtschaftliche und politische Annäherung an Russland bevorzugt. In Belarus hatten wir Kommunalwahlen, die gefälscht waren. Eigentlich bleibt nur noch die Republik Moldau als einziges Land auf europäischem Kurs. Über den Kaukasus müssen wir gar nicht reden, die Verhältnisse in Aserbaidschan sind bekannt, in Armenien tut sich nicht viel und in Georgien haben wir eine Auseinandersetzung um die politische Führung, also keine Zeit und kein großes Interesse an einer EU-Annäherung. Es besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen der Entwicklung in der Region und den Maßnahmen in Brüssel.

Woran liegt das? Hat diese Partnerschaft ihr Ziel verfehlt?

Das Ziel wurde nicht verfehlt. Das Ziel ist klar und auch realistisch: die Annäherung der Nachbarstaaten an die EU. Es ist nicht möglich, in den nächsten Jahren diese Staaten in die EU zu bringen, es geht hier langfristig darum, die Gesellschaften dieser Länder auf den europäischen Weg zu bringen. Das muss vor allem die Transformation der Gesellschaft, der Wirtschaft und auch des Rechts sein. Das Forum der Zivilgesellschaft ist das wichtigste Instrument für die Östliche Partnerschaft, und das muss jetzt umgesetzt und ausgebaut werden. Eine der wichtigsten Maßnahmen muss auch eine klare Visa-Politik der EU sein. Es ist nicht im Interesse der EU, die Einreise der Bürger aus den Staaten der östlichen Nachbarschaft zu blockieren oder zu begrenzen. Es geht auch nicht darum, innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre das Visa-Regime abzuschaffen. Das würden die Menschen in der EU nicht mitmachen. Es geht darum, den Studenten, den Geschäftsleuten und allen anderen, die regelmäßig in die EU reisen, nach klaren Kriterien ein Visum auszustellen.

Ist es sinnvoll, Russland dazu zu bewegen, dieser Partnerschaft beizutreten?

Europakarte mit den Ländern der Östlichen Partnerschaft (Grafik: DW)
Die Partner der EU im Osten

Russland ist ein wichtiger Partner im Osten Europas. Die Östliche Partnerschaft sollte auch für Russland offen sein und Russland hat sicherlich auch Interesse, an der Lösung einzelner Probleme, zum Beispiel beim Visa-Regime, mitzuwirken. Aber Russland ist viel zu groß. Es würde die anderen Staaten der Östlichen Partnerschaft überlagern oder könnte die eigenen Interessen gegen diese Staaten durchsetzen. Russland war immer daran interessiert, eine Sonderrolle im Verhältnis zur EU zu entwickeln. Für mich sind das Verhältnis EU-Russland und die Östliche Nachbarschaft zwei Teile der europäischen Ostpolitik, aber Östliche Partnerschaft sollte eine Ebene bleiben und das Verhältnis Russland-EU die andere Ebene. Wenn das langfristig parallel abläuft, ist das im Interesse aller Beteiligten.

Die Östliche Partnerschaft wurde so angelegt, dass sie über die bisherige Praxis der Nachbarschaftspolitik hinausgehen sollte. Ist das erfüllt worden?

Noch nicht, aber das wird in diese Richtung gehen. Bei der Nachbarschaftspolitik geht es auch darum, den Mittelmeerraum einzubinden. Ich habe immer darauf hingewiesen, dass es den östlichen und südlichen Nachbarstaaten nichts bringt, wenn die Fortschritte gegenseitig aufgerechnet werden. Man sollte in dieser Strategie der Nachbarschaftspolitik Freiräume lassen, sowohl für die südlichen als auch für die osteuropäischen Staaten. Die beiden Prozesse sollten parallel verlaufen. Wir können nicht nach einem Jahr Östliche Partnerschaft irgendwelche Durchbrüche erwarten. Ich hoffe, dass wir im Jahr 2010 sagen können: 'das Ganze war ein guter Beginn des Prozesses und es ist im Interesse aller Beteiligten, wenn der Prozess der Annäherung an die EU weiterläuft.'

Das Gespräch führte Roman Goncharenko
Redaktion: Markian Ostaptschuk/ Fabian Schmidt