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Politik

Kirijenko zurück im Kreml

Juri Rescheto
6. Oktober 2016

Die Russen kennen Sergej Kirijenko als Ministerpräsident von 1998. Er galt als liberaler Reformer und als jemand, der die Staatspleite verschuldete. Jetzt bestimmt er die Innenpolitik im Kreml. Aus Moskau Juri Rescheto.

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Wladimir Putin Sergei Kirijenko
Mit Präsident Putin lange vertraut: Kirijenko (re.) traf ihn mehrfach als Leiter der russichen AtomenergiebehördeBild: picture alliance/AP Photo/A. Nikolsky

Lange wurde sein Name geheim gehalten. So wie vieles hinter hohen Kremlmauern. Er selbst sprach von "Gerüchten". Kreml-Sprecher Peskow "wusste es nicht". Jetzt ist es amtlich: Der einstige Mitstreiter des ermordeten Oppositionpolitikers Boris Nemzow übernimmt das Amt des Ersten Stellvertretenden Chefs des Präsidialamtes der Russischen Föderation. Im Klartext: Er bestimmt die Innenpolitik im Kreml und beeinflusst das gesellschaftliche Klima im Land, das Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Bürgern.

Entsprechend groß sind die Erwartungen an die einstige "Kinderüberraschung". So wurde Sergej Kirijenko 1997 genannt, als der damalige Präsident Boris Jelzin ihn völlig überraschend als den jüngsten Ministerpräsidenten Russlands der Duma vorschlug. Das russische Parlament wollte ihn jedoch nicht und lehnte Kirijenko zweimal ab. Erst beim dritten Gang schaffte er die Wahl. Er war damals 35. Seine Stellvertreter Boris Nemzow und Wiktor Christenko waren ähnlich jung und fest entschlossen, die russische Wirtschaft radikal umzukrempeln.

Russland Präsident Jelzin und Premierminister Kirijenko
Da war er noch jung: Regierungschef Sergei Kirijenko wurde im April 1998 Regierungschef unter Präsident Boris JelzinBild: picture-alliance/dpa/ITAR-TASS

Aber schon nach einigen Monaten endete dieses Umkrempeln in einer Staatspleite. Kirijenko und sein Kabinett wurden entlassen. Aus dem vermeintlichen Russlandretter wurde schnell ein vermeintlicher Russlandzerstörer. Viele Menschen in Russland machen Kirijenko bis heute für den Krach ihrer Wirtschaft und ihre leeren Geldtaschen verantwortlich.

Nach dem Rausschmiss Neustart mit Nemzow

Nach dem fulminanten Aufstieg in die oberste Liga der Politik und trotz des jähen Rausschmisses aus der Regierung wollte Kirijenko seine Politikerkarriere fortsetzen. Er gründete die "Neue Kraft", eine politische Bewegung, die später in die "Union der rechten Kräfte" des Oppositionspolitikers Boris Nemzow einging. Nemzow und Kirijenko kannten sich gut noch aus Nizhni Nowgorod, wo Nemzow Ministerpräsident war, bevor er nach Moskau in die Regierung Kirijenko folgte.

Und so traten beide bei der Parlamentswahl 1999 gemeinsam auf. Ihr Motto: "Putin als Präsident, Kirijenko in die Duma! Junge Politiker braucht das Land." Die "Union der rechten Kräfte" schaffte es ins Parlament und bildete dort eine eigene Fraktion. In dieser Zeit kandidierte Kirijenko gleichzeitig als Bürgermeister von Moskau, wurde aber hinter Juri Luschkow nur Zweiter.

Kirijenko stellte den Russen Wladimir Putin vor

Pikanterweise war es ausgerechnet Sergej Kirijenko, damals noch Ministerpräsident, der den Russen am 25. Juli 1998 den neuernannten Chef des Föderalen Sicherheitsdiensts FSB vorstellte, den damals völlig unbekannten Ex-KGB-Agenten Wladimir Wladimirowitsch Putin. Seitdem kennen sich die beiden gut.

Im Jahr 2000 ernannte dann Putin Kirijenko zu seinem bevollmächtigten Vertreter in der Region Wolga. Danach wurde es still um den einstigen Shooting-Star der Jelzin-Ära. Ab 2005 und bis vor kurzem leitete Sergej Kirijenko die Staatliche Atombehörde "Rosatom".

Trotz seines einstigen Images als liberaler Reformer gilt Kirienko vielen Experten als Technokrat, dem eigene politische Ideen, aber auch der Raum dafür im Kreml fehlen werden. Alexej Muchin vom Moskauer "Zentrum der politischen Informationen" sagte der DW: "Kirijenkos eigene Weltanschauung spielt überhaupt keine Rolle, denn sein eigentlicher Job wird die Vorbereitung der Wahlkampagne für Putin sein."

Die Russen wählen 2018 den neuen Präsidenten und "Kirijenko soll das russische politische System lediglich korrigieren. Das heißt, einen Ausgleich schaffen zwischen dem äußersten Konservatismus und dem radikalen Liberalismus". Er soll vor allem am Image des Präsidenten feilen. Genauso wie der Rest des Personalkarussells der letzten Wochen.

Das Gerede vom liberalen Reformer nennt Muchin "einen liberalen Traum", der mit dem neuen Mann im Kreml Sergej Wladilenowitsch Kirijenko jedenfalls nicht in Erfüllung gehe.

Rescheto Juri Kommentarbild App
Juri Rescheto Chef des DW-Büros Riga