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Kein Machtwechsel in Sicht

5. November 2002

Ariel Scharon hat sich verspekuliert und musste nun doch Neuwahlen zustimmen. Es kommentiert Peter Philipp.

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Als der Auszug der Arbeiterpartei das Ende der "Regierung der nationalen Einheit" brachte, da dachte der israelische Ministerpräsident, er könnte "mit links" eine alternative Rechtskoalition zusammenstellen und weiterregieren. Ariel Scharon hatte sich aber geirrt und musste nun das Handtuch werfen und Neuwahlen binnen neunzig Tagen ankündigen.

Scharon hatte offenbar unterschätzt, auf was er sich beim Versuch einer Koalition mit extrem religiös-nationalistischen Abgeordneten einlassen würde, er hatte aber auch einen Widersacher in den eigenen Reihen unterschätzt, den er mit einem Trick als Konkurrent ausschalten wollte: Benjamin Netanyahu, vorletzter Regierungschef vor Scharon, wartet ungeduldig auf seine Chance, ins Amt des Ministerpräsidenten zurückzukehren, und er will Scharon bei nächstbester Gelegenheit beim Kampf um die Parteiführung herausfordern. Diesen unbequemen Zeitgenossen wollte Scharon nun mit dem Angebot mundtot machen, er könne doch Außenminister in seinem neuen Kabinett werden. Netanyahu sagte sofort zu – aber mit der Einschränkung, diese Regierung müsse dann Neuwahlen ausschreiben. Scharon schnappte noch nach Luft nach diesem Eigentor, da zog Netanyahu seine Zusage zurück.

Komplizierter wurde es mit den Rechtsreligiösen der "Israel-Unser Haus"-Partei: Grundsätzlich waren sie zwar zur Teilnahme an einer Koalition bereit, sie schraubten den Preis aber sofort so hoch, dass Scharon passen musste: Er hätte unter anderem eine noch konsequentere harte Linie in den besetzten Gebieten einschlagen und die amerikanischen Vermittlungs-Versuche zurückweisen müssen und darauf mochte Scharon sich nicht einlassen – es hätte eine weitere große Belastung des israelisch-amerikanischen Verhältnisses bedeutet und der bedrängte Ministerpräsident war dazu nicht bereit.

Scharon kam bald zur Einsicht, dass es sich mit solchen kleinen und radikalen Koalitionspartnern nicht regieren lassen würde. Eine Erkenntnis, die andere israelische Regierungschef auch hatten machen müssen, wenn sie immer wieder in Abhängigkeit von solchen Parteien gerieten und ihre Parlamentsmehrheit mit politischer Erpressbarkeit bezahlten.

Wenn Scharon nicht nachgegeben hat, dann mag das ehrenhaft sein für ihn. Es bringt Israel einer Lösung aber nicht näher. Den Nahen Osten auch nicht. Scharon wird im Wahlkampf kaum mit überzeugenden neuen Rezepten antreten können, von seinem Herausforderer aus den eigenen Reihen, Netanyahu, ist das ebenso wenig zu erwarten. Und ein völliger Machtwechsel? Dafür erscheint die Arbeiterpartei nach der bisherigen engen Liaison mit Scharon zu unprofiliert. Die Partei wird jetzt auch erst einmal die Führungsfrage klären müssen und es gilt als sicher, dass Benjamin Ben Eliezer von einem seiner beiden linken Herausforderer abgelöst wird. Mehr aber auch nicht.

In normalen Zeiten würde solch eine Vorwahlzeit politischen Stillstand bringen. In Nahost gibt es aber keine "normalen" Zeiten. Schon gar nicht vor dem Hintergrund eines drohenden Krieges im Irak.