1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kein echter Neubeginn im Libanon

Peter Philipp 30. Mai 2005

Die Hariri-Partei hat sich zum Sieger der ersten Phase der Parlamentswahl in Libanons Hauptstadt Beirut erklärt. Die Wahl war die erste seit dem Abzug der syrischen Truppen im April. Ein hoffnungsvoller Auftakt?

https://p.dw.com/p/6i9a
Saad Hariri: Überlegener Sieg, aber schwache WahlbeteiligungBild: dpa

28 Prozent Wahlbeteiligung - das ist weit weniger, als die Führer der so genannten Opposition sich für den Auftakt der libanesischen Parlamentswahlen in Beirut erhofft hatten. Der Sieg aber war ihnen im Voraus sicher, und dies mag zu dem mageren Interesse beigetragen haben. Jedoch eben nur "beigetragen". Denn es gibt durchaus auch andere Gründe, diesen Wahlen gegenüber skeptisch zu bleiben und in ihnen nicht den so oft beschworenen Neubeginn zu sehen.

Politischer Kuhhandel

Ein wichtiger Grund ist das bisherige Wahlgesetz mit seinem

Proporz-System zwischen Muslimen und Christen, denen - entgegen ihrem wirklichen Kräfteverhältnis - jeweils die Hälfte der Parlamentssitze zustehen. Mehr aber noch die weiter gehende Unterteilung in die einzelnen weltanschaulichen Gruppen auf beiden Seiten. Und schließlich die Absteckung relativ großer Wahlbezirke, in denen diese verschiedenen religiösen Gruppen zusammen leben und deswegen Wahlabsprachen treffen müssen, damit die jeweilige Minderheit überhaupt eine Chance hat, ins Parlament zu kommen. Dieser politische Kuhhandel verhindert, was einst im Friedensplan von Ta'if entworfen wurde: dass die religiöse und ethnische Vielfalt des Landes ihren Niederschlag künftig nur noch in einem zu gründenden Oberhaus oder Bundesrat findet, dass im Parlament aber konfessionsübergreifende politische Parteien vertreten sind.

Libanon - Wahl
Die Partei des im Februar ermordeten Rafik Hariri (auf den Plakaten), konnte nach libanesischen TV-Berichten alle 19 Parlamentssitze in der Hauptstadt Beirut gewinnenBild: AP

Wahlsieg ohne politisches Programm

Die Syrien-kritischen Sieger unter der Führung von Saad Hariri, dem Sohn des im Februar ermordeten Expremiers Rafiq Hariri, stellen zwar einen Querschnitt der konfessionellen Landkarte des Libanon dar - sie sind aber keine echte politische Partei. Sie haben kein eigentliches politisches Programm. Und sie profitieren vom Glorienschein des Ermordeten wie auch vom Abzug der Syrer - der freilich nicht allein von den Demonstranten, sondern durch massiven internationalen Druck bewirkt wurde. Beides wird verblassen, und übrig bleiben dürfte dann das Mischmasch aus Politik, Religion, Clans und Macht, das immer schon den Libanon ausgemacht hat.

Wahlen im Libanon
Wahlplakat des aus dem Exil zurückgekehrten General Michel AounBild: AP

Ein Schritt nach vorn - mehr aber nicht

Die Zahl derer im Libanon wächst, denen dies nicht reicht. Sie wollen eine säkulare Demokratie mit politischen Parteien. Und sie fordern, dass das neue Parlament nach Abschluss der Wahlen in vier Wochen ein entsprechendes Wahlgesetz ausarbeitet und dann in absehbarer Zeit Neuwahlen zu diesen neuen Bedingungen ausschreibt. Eine Hoffnung, die kaum erfüllt werden dürfte. Schon allein deswegen nicht, weil dies eine tief greifende Umwälzung voraussetzt und Abgeordnete nirgendwo ein Interesse daran haben, sich selbst ihres Mandats zu berauben. Auch im Libanon nicht.

Viel ist in letzter Zeit von einer "Zedern-Revolution" gesprochen worden. Wohl mehr der Ausdruck bestimmter Hoffnungen im Weißen Haus, aber dennoch: Es hat sich etwas getan im Libanon. Und mit etwas Glück wird sich auch weiter etwas tun. Eine Revolution ist das allerdings nicht.