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Kapitän im Glück

Günther Birkenstock28. November 2013

Rudolf Dumont hat sein ganzes Leben für drei gearbeitet. Als Krankenpfleger und als leidenschaftlicher Koch. Heute hat er sein Glück darin gefunden, auf einem alten Boot zu leben.

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DW-Serie "Glück" Redaktion Glaube/Ethik Rudolf Dumont, Krankenpfleger, Koch und Kapitän auf seinem Boot "Jonas"
Bild: DW/G. Birkenstock

Rudolf Dumont lacht gerne und viel, obwohl er im Grunde ein sehr ernsthafter Mensch ist und ihm in seinem Beruf viel Leid begegnet. Denn Rudolf Dumont betreut als Psychiatrie-Pfleger chronisch psychisch Kranke im Aachener Klinikum. Der Krankenpfleger, der im Ruhrgebiet geboren ist, hat aber noch einen zweiten Beruf gelernt. Mit 14 Jahren begann er nach der Volksschule eine Kochlehre und arbeitete anschließend als Kochgeselle in einem großen Unternehmen. Mit 20 Jahren sattelte er um und wechselte in die psychiatrische Krankenpflege.

Beide Berufe hat er in seinem Leben mit viel Engagement betrieben. Sein Glück aber hat er nun an einem anderen Ort gefunden. 2011 gab er sein Haus auf, verkaufte seinen Hausstand und zog auf sein Boot, das im Hafen von Visé liegt, einer belgischen Stadt an der Maas westlich von Aachen. Alles in allem bietet die kleine Barkasse, ein 100 Jahre altes Eisenboot, rund 36 Quadratmeter Fläche – das Deck eingerechnet.

DW-Serie "Glück" Redaktion Glaube/Ethik Rudolf Dumont, Krankenpfleger, Koch und Kapitän auf seinem Boot "Jonas"
Ein einfaches Leben schafft RuheBild: DW/G. Birkenstock

Die entspannende Kraft der Einfachheit

"Ich brauche mir nichts mehr zu beweisen als Koch, und das ist gut", sagt Rudolf Dumont. Das Schiff sei für ihn eine Gelegenheit gewesen, sich neu zu definieren. Das habe ihn außerordentlich zufrieden gemacht, erklärt er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Er sitzt in seiner Kapitänskajüte, trinkt Tee und liest Zeitung in seinem "Wohnzimmer", einem zehn Quadratmeter großen Raum mit Tisch, kleiner Küche und dem Cockpit mit Steuerrad. Die Überzeugung, dass seine Entscheidung richtig war, ist in jedem seiner Sätze zu spüren.

Die Umstellung seines Lebens war groß. Denn Rudolf Dumont hat seine beiden Berufe gleichzeitig ausgeübt. Nach anfänglichen Jahren der Psychiatrie-Arbeit hatte er seine erste Profession wieder aufgenommen. Angeregt durch Freunde in Paris, zog er durch die vielen kulinarischen Spezialgeschäfte der Stadt, ließ sich begeistern vom Angebot der Fleischer, Bäcker und Feinkostläden und fing neben seinem Job in der Psychiatrie wieder an zu kochen.

DW-Serie "Glück" Redaktion Glaube/Ethik Rudolf Dumont, Krankenpfleger, Koch und Kapitän auf seinem Boot "Jonas"
Wohnzimmer, Küche und Cockpit auf zehn QuadratmeternBild: DW/G. Birkenstock

"Als ich 31 war, habe ich angefangen, Menschen aus meinem häuslichen Umfeld einzuladen, für die ich dann experimentell gekocht habe, immer nach Kochbüchern französischer Meister", erzählt Rudolf Dumont mit einem gewissen Glanz in den Augen. Er habe das nur für sich und seine Lust gemacht. Bezahlen mussten die Eingeladenen nichts, nur als "Testpersonen" das Essen kommentieren. "Dadurch habe ich mich dann weiter entwickelt."

Seinen Doppelberuf nutzte die Psychiatrie des Aachener Klinikums später in der Behandlung ihrer Patienten. In der eigens eingerichteten "Arbeitstherapie Kochen" ging es nicht um Zubereitung auf hohem Niveau, sondern um die Bildung einer Persönlichkeitsstruktur; und darum, dass die Patienten erfahren konnten, etwas geschafft und geschaffen zu haben. Ein Erfolgsmodell.

Koch aus Leidenschaft

Gleichzeitig als Pfleger und Koch zu arbeiten, baute Rudolf Dumont weiter aus. Ein Jahr lang versuchte er sogar, in der Nähe von Aachen ein eigenes Restaurant zu führen. Drei Tage Nachtdienst, der Rest der Woche bestand aus Kochen. Als die Belastung zu groß wurde, gab er das Restaurant auf und behielt reichlich Schulden zurück. "Ein bisschen Verlust ist immer", sagt Rudolf Dumont in abgeklärtem Ton. Er bereue das nicht. Für ihn sei es darum gegangen, sich später nicht sagen zu müssen, er habe es nicht versucht.

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Rudolf Dumont: Ohne Entscheidungen keine EntwicklungBild: DW/G. Birkenstock

Das Restaurant gab er zwar auf, das Kochen aber nicht, nur die Form wurde geändert. Die Wohnzimmer seines kleinen Hauses wurden zur "Chambre-Restauration". Im Anbau stand die voll ausgestattete Profiküche, hochimprovisiert, aber funktionstüchtig. Die jüngeren zwei seiner vier Kinder halfen ihm beim Spülen und Bedienen der Gäste – gegen Bezahlung, versteht sich.

Man muss sich entscheiden

"Zufriedenheit habe ich immer dann erlebt, wenn ich später in der Küche sah, dass die Leute alles aufgegessen hatten." Kaum zu glauben, dass Rudolf Dumont außerdem noch alle zwei Wochen in einem mobilen Pflegedienst arbeitete und alte Menschen versorgte. Denn das Geld war immer knapp.

Als mobiler Pfleger ist er auch heute noch unterwegs. Nur das Kochen hat er aufgegeben. Ohne Verlustschmerz, wie er sagt. "Wenn etwas nicht stimmt oder du meinst, es ist ein Wechsel notwendig, dann musst du die Entscheidung fällen. Das habe ich immer so gemacht. Wer sich nicht entscheidet, der entwickelt nichts Neues."

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Ich freue mich jeden Tag auf mein SchiffBild: DW/G. Birkenstock

Heute verschafft es ihm das Gefühl von Glück von Zufriedenheit, auf dem Wasser zu leben, betont Rudolf Dumont. "Ich freue mich jedes Mal, wenn ich Feierabend habe und dann sofort hierhin zurück fahren kann - auf mein Schiff."