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Linke nominiert Klarsfeld

27. Februar 2012

Mit den Vorschlägen der anderen Parteien können die Sozialisten selten etwas anfangen. Deshalb nominieren sie meistens eigene Kandidaten. Dabei hatten sie allerdings nicht immer ein glückliches Händchen.

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Portraitbild der 73-jährigen Beate Klarsfeld. (Foto: Michael Gottschalk / dapd)
Bild: dapd

Die Wahl des neuen deutschen Staatsoberhauptes am 18. März ist von einigen Besonderheiten geprägt. Das fängt mit der Herkunft der Kandidaten an und dem Umstand, wem sie diese Ehre ihrer Nominierung verdanken. Joachim Gauck, dessen Wahl aufgrund der Mehrheitsverhältnisse als sicher gilt, stammt aus dem Osten Deutschlands. Nominiert wurde der frühere DDR-Bürgerrechtler von Sozialdemokraten (SPD), Konservativen (CDU/CSU), Grünen und Freien Demokraten (FDP). Alle diese Parteien haben eine deutlich westdeutsche Tradition. Gaucks Herausforderin Beate Klarsfeld wurde 1939 in Berlin geboren und ging als junge Frau nach Frankreich. Sie ist also westlich sozialisiert, wurde aber von der überwiegend östlich geprägten Partei "Die Linke" aufgestellt. Eine bemerkenswerte Ausgangslage in einem Land, in dem auch 22 Jahre nach seiner staatlichen Wiedervereinigung oft die Rede davon ist, die Mauer in den Köpfen existiere noch immer.

Beide Kandidaten sind nicht unumstritten

Abgesehen davon gibt es in einem Punkt eine auffällige Parallele bei der Kandidatenkür für das höchste Staatsamt. Sowohl die Nominierung Joachim Gaucks als auch die Beate Klarsfelds sorgte für Irritationen und sogar Streit bei denen, die sie am Ende verkündeten. Im Falle des früheren DDR-Bürgerrechtlers ließ sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nur widerwillig von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen davon überzeugen, dass er nach ihrem Fehlgriff mit dem zurückgetretenen Christian Wulff die richtige Wahl ist. Und die nun von der Linken ins Rennen geschickte Nazi-Jägerin ist keineswegs die unumstrittene Wunschkandidatin der gesamten Partei. Was schon daran deutlich wurde, dass sich die ursprünglich für vergangenen Donnerstag in Aussicht gestellte Kandidatenkür um vier Tage verzögerte.

Joachim Gauck Tag seiner Nominierung (19.02.12) im Kanzleramt in Berlin. Während der Pressekonferenz blickt er mit verschränkten Händen scheinbar nachdenklich nach unten. (Foto: Steffi Loos / dapd)
Die Wahl Joachim Gaucks gilt als sicherBild: dapd

Erst der Rückzug des Armutsforschers Christoph Butterwegge und der Bundestagsabgeordneten Luc Jochimsen, die ebenfalls Interesse bekundet hatten, machte den Weg für Klarsfeld frei, die sich nach lobenden Worten der Linken-Vorsitzenden Gesine Lötzsch über ihr politisches Leben in Interviews geradezu demonstrativ selbst als Kandidatin ins Gespräch gebracht hatte. Da wäre es nur allzu peinlich gewesen, hätte die Linke sie am Ende ignoriert. Jetzt haftet der 73-Jährigen der Makel an, von den Linken eher aus Verlegenheit als aus Überzeugung aufgestellt worden zu sein.

Klarsfeld erfüllt linkes Anforderungsprofil

Beate Klarsfeld vor einer Stellwand der Linken mit dem Slogan "Für eine neue soziale Idee"". Foto: Victoria Bonn-Meuser/dapd
Fühlt sich von der Linken geehrt: Beate KlarsfeldBild: dapd

Klaus Ernst, der sich mit Gesine Lötzsch den Partei-Vorsitz teilt, beeilte sich denn auch, die aus seiner Sicht zahlreichen Vorzüge der Kandidatin Klarsfeld zu betonen. Sie stehe für Mut, Antifaschismus, Gerechtigkeit, das Aufbegehren gegen die herrschenden Verhältnisse und soziale Verantwortung. Mit diesen Eigenschaften erfüllt Klarsfeld eindeutig das Anforderungsprofil der Linken. Dass eine seit Jahrzehnten in Paris lebende, mit dem Alltag in Deutschland wenig vertraute Frau kandidiert, hält Linken-Chef Ernst eher für einen Vor- als Nachteil. Klarsfeld als Bundespräsidentin täte gut, weil sie "mit ihrem Blick ein wenig berücksichtigt, was andere über uns denken".

Faktisch ist die Gegenkandidatin Joachim Gaucks aufgrund der Mehrheitsverhältnisse chancenlos, wenn die Bundesversammlung Wulffs Nachfolger wählen wird. Für die Linke als Partei und Klarsfeld als Person wäre es schon ein Erfolg, wenn sie mehr Stimmen bekommen sollte, als die Linke Wahlfrauen und Männer stellt. In der Vergangenheit ist das Kandidaten der Linken mehrmals gelungen. Im Mai 2010 erhielt die Journalistin und Bundestagsabgeordnete Luc Jochimsen im ersten Wahlgang 126 Stimmen, zwei mehr, als die Linke in der Bundesversammlung hatte. Das gleiche Kunststück glückte 2009 dem Schauspieler Peter Sodann, dem bei der Wiederwahl des ein Jahr später zurückgetreten Horst Köhler 91 Wahlleute das Vertrauen schenkten, obwohl die Linke nur über 90 Stimmen verfügte.

Kandidaten der Linken sorgten oft für Irritationen

Der Schauspieler Peter Sodann vor dem Partei-Logo "Die Linke". (AP Photo / Markus Schreiber)
Schränger Kandidat: Schauspieler Peter SodannBild: AP

Sowohl die aus dem Westen stammende Jochimsen als auch der Ostdeutsche Sodann sorgten während ihres Wahlkampfes für das höchste Staatsamt mitunter gewollt oder ungewollt für Schlagzeilen. Die ehemalige Chefredakteurin des öffentlich-rechtlichen Hessischen Rundfunks sprach davon, die DDR sei "nach juristischer Definition" kein Unrechtsstaat gewesen. Diese spitzfindige Formulierung brachte ihr außerhalb der eigenen Reihen viel Kritik ein. Noch größer war die Empörung, als der Kandidat Sodann zwar das Grundgesetz lobte, aber gleichzeitig sagte, in Deutschland gebe es keine "richtige Demokratie", weil seines Erachtens die in Artikel 1 des Grundgesetzes garantierte Würde des Menschen nicht ernst genommen werde.

Als die Wahl eine Art Familienangelegenheit war

Besonders pikant war bereits 1999 die Kandidatur der Theologin Uta Ranke-Heinemann. Unter dem Eindruck der deutschen Beteiligung am Kosovo-Krieg gegen Jugoslawien trat die wie Jochimsen aus dem Westen stammende Pazifistin für die Vorgängerin der Linken, die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), an. Sie unterlag dem Sozialdemokraten Johannes Rau, der mit ihrer Nichte Christina verheiratet war. Ranke-Heinemann wiederum ist die Tochter des von 1969 bis 1974 amtierenden Bundespräsidenten Gustav Heinemann.

Für Schlagzeilen waren die Kandidaten der Linken also immer gut. Manche in der Partei sorgen sich womöglich, dass es nach der alles andere als glatten Nominierung von Beate Klarsfeld für die Bundespräsidentenwahl in knapp drei Wochen noch die eine oder andere Irritation geben könnte. Derweil reagierte die Nominierte selbst hocherfreut. Es sei für sie eine große Ehre und Würdigung ihrer Arbeit, von der Linken aufgestellt worden zu sein. Für die Partei stehen "sowohl die sozialen Fragen als auch der Antifaschismus im Mittelpunkt ihres politischen Engagements", betont Klarsfeld die politische Schnittmenge zwischen ihr und der Linken. Schon in wenigen Tagen will sie in ihre Heimatstadt Berlin reisen und "dort in verschiedenen Veranstaltungen auftreten".

Uta Ranke-Heinemann, Tochter des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann, auf einem Bild aus dem Jahre 2005. (Foto: Karlheinz Schindler / dpa)
Kriegsgegenerin: Uta Ranke-HeinemannBild: picture-alliance/dpa

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Sabine Ripperger